Blinde, Blindenanstalten

[567] Blinde, Blindenanstalten. Blindheit, das Unvermögen zu sehen, ist entweder Folge einer Krankheit der Augenlider oder des Augapfels, oder der Undurchsichtigkeit der vorderen Hornhaut, der Glaskörper (grauer Staar), oder der Unempfindlichkeit der Netzhaut (schwarzer Staar), oder einer Krankheit des Gehirns; die Blindheit ist manchmal eine angeborene Krankheit (Blindgeborene). Sie hat gewöhnlich Schärfung des Gehör- und Tastsinnes zur Folge und deßwegen hat es von jeher B. gegeben, die sich Künste und Fertigkeiten aneigneten, einzelne, die sich in der Musik auszeichneten. Daher gab man sich seit dem 17. Jahrh. Mühe, die B.n durch ein besonderes Zeichensystem für den Taftsinn oder durch das Gehör zu unterrichten, so J. Bernouilli, der blinde Saunderson u.a. Eine ähnliche Beobachtung brachte den Franzosen Havy 1780 zu Paris auf den Gedanken, eine Schule für B. zu stiften, in welcher dieselben in angemessenen Handarbeiten, im Lesen, Schreiben, Rechnen u. in der Musik unterrichtet wurden. 1791 wurde Havys Unternehmen Staatsanstalt, aber bis 1815 so zu Havys Verdrusse verwaltet, daß er nach Petersburg ging, auf der Durchreise zu Berlin eine Anstalt gründete, in welcher Zeune die Unterrichtsmethode sehr vereinfachte. In kurzer Zeit entstanden überall B.nanstalten, in Liverpool, Edinburgh, London, Dublin, Philadelphia, Newyork, Boston, Petersburg, Wien, Berlin, Prag, Amsterdam, Zürich u.s.w. Man hat eine Menge Arten der Versinnlichung erfunden, metallene Buchstaben, Hochdrucke, Hochbilder von der Erde u. einzelnen Ländern u.s.w., der Tastsinn ersetzt jedoch das Gesicht nie und das Gehör bleibt vorzugsweise der Vermittler des Unterrichts für B. Diese sind äußerst selten im Stande, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, daher hat man bereits in allen größeren Städten Anstalten gestiftet, in welchen B. Versorgung, Beschäftigung und wenn es noch möglich ist, Heilung finden; die erste Anstalt dieser Art stiftete Ludwig der Heilige 1260, nach seinem Kreuzzuge, auf dem viele Krieger in Aegypten erblindet waren; sie nahm 300 derselben auf.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 567.
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