Delphi

[315] Delphi, Stadt in Phokis in Mittelgriechenland und Sitz des berühmtesten Orakels der alten Welt; an erstere, amphitheatralisch am Abhange des Parnaß von Dorern erbaut, außer dem Apollotempel von andern Tempeln u. von vielen Säulen überragt, in der langdauernden Blüthezeit mit einem Umfang von 16 Stadien und ohne Mauern, weil von 3 Seiten durch jähe Abgründe geschützt, mahnt heutzutage noch der Flecken Castri, an das Orakel bereits jeder Schriftsteller des Alterthums. D. hieß so, weil laut Homers Hymnus Apollo zuerst in Gestalt eines Delphin kretensische Seefahrer bewog, Priester seines Orakels zu werden und den Tempel zu bauen. Als der uralte Tempel kurz vor den Perserkriegen abbrannte, baute Spintharos aus Korinth denselben mit 300 Talenten (über 11/2 Mill. Frk.) weit prächtiger wieder auf. Von dem Dreifuß herab ertheilte die in ekstatische Zustände versetzte Pythia, eine unbescholtene Jungfrau der Stadt, später eine Frau, ihre von den Priestern stets verstandenen, sorgfältig aufgezeichneten und den Orakelbegierigen gegen Geschenke ausgelegten Orakel. Die Form der Orakelsprüche war ursprünglich der Hexameter, der Inhalt fast immer zweideutig, doch stets vortrefflich gewählt. Die Hellenen glaubten Jahrhunderte dem Orakel, doch nicht immer den auslegenden Priestern und suchten diese häufig durch Geldgeschenke zur richtigen Auslegung zu bestimmen. Hat das Orakel auch wenig zur Einheit von Hellas beigetragen, so verhinderte es doch manches öffentliche Unglück od. Verbrechen. Beim Pythium ein Stein mit 2 Adlern, der Omphalos, den Nabel, d.h. vermeintlichen Mittelpunkt der Erde andeutend. D. war reich an andern Merkwürdigkeiten, z.B. das Grabmal des Neoptolem oder Pyrrhus, der Stuhl, worauf Pindar seine Hymnen auf Apollo sang u. A.; in der Nähe wurden die pythischen Spiele gefeiert. Das Orakel veranlaßte die Gründung einer der ältesten Depositenbanken (vgl. Banken) u. fand gläubige Besucher bis zu der Zeit Theodosius d. Gr., der ihm ein Ende machte.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 315.
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