Haller [1]

[210] Haller, Albrecht von, der weltberühmte Physiolog, Botaniker und zugleich Bannerträger des 2. Blütenalters der deutschen Dichtkunst, wurde geb. 1708 zu Bern, studierte seit 1723 Medicin zu Tübingen, alsdann zu Leyden, wo sein Lehrer Boerhave ihm den Doctorhut [210] überreichte, machte Reisen u. besaß als Arzt, Botaniker u. Dichter der »Alpen« (1732) schon einen bedeutenden Namen, als er 1736 von Bern an die junge Universität Göttingen berufen wurde. Hier gründete er den botan. Garten u. die Entbindungsanstalt, half die Akademie ins Leben rufen und während seine dichterische Fruchtbarkeit aufhörte, trug der außerordentliche Ruhm, welchen er als Lehrer sowie durch sehr zahlreiche Schriften und Entdeckungen im Gebiete der Naturwissenschaften (er ist z.B. Urheber der epochemachenden Lehre von der Irritabilität) ärntete, namhaft dazu bei, die Poesie wiederum in Ansehen zu bringen. Als Dichter emancipirte er sich von Lohenstein und blieb gleich Hagedorn dem Streite der Gottschedianer und Schweizer ferne, gab im Gegensatz zu Hagedorn der Poesie Hoheit und Würde, ernste und männl. Gesinnung, körnige Sprache und guten Versbau, worüber man für jene Zeit die zuweilen übertrieben pathetische Sprache u. kleinliche Manier gern vergißt. Außer den noch heute genießbaren Alpen u.a. Gedichten, unter denen die lyrischen mitunter trocken sind, lieferte er Lehrgedichte, deren Inhalt an Leibnitzens Theodicee erinnert, z.B. vom Ursprung des Uebels u. welche ihn zum Reigenführer der Lehrdichter Lichtwer, Kästner, von Kreuz u.a. machten, daneben Romane (Usong, Alfred u.a.), welche die verschiedenen Regierungsformen darstellten. Seit 1745 war H. Mitglied des großen Rathes von Bern, 1753 kehrte er nach Bern zurück und begleitete viele Ehrenstellen, bis er 1777 zu Bex st. Unter den wissenschaftl. Werken behaupten die Elementa physiologiae (8 Quartanten) sowie die Bibliotheca botan. chirurg. anatom. et medicinae pract., zusammen 15 Quartanten, noch heute Werth. Gedichte in 12. Aufl., Bern 1828. H. selbst hinterließ ein Tagebuch seiner Beobachtungen über Schriftsteller und sich selbst, Bern 1787, 2 B.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 210-211.
Lizenz:
Faksimiles:
210 | 211
Kategorien: