Haller [2]

[880] Haller, 1) Berthold, der Reformator von Bern, geb. 1492 in Aldingen bei Rottweil, studirte seit 1510 in Köln Theologie, wurde zuerst Lehrer in Rottweil, dann zwischen 1513 u. 18 in Bern, wo er auch ein geistliches Amt bekleidete u. 1520 Chorherr u. Leutpriester wurde; mit Seb. Meyer predigte u. lehrte er hier das Evangelium unter großem Widerstand des Clerus; er war 1526 mit auf dem Colloquium zu Baden, betheiligte sich bei der Berner Disputation, führte dann die Reformation in Bern ein u. hatte den vornehmsten Antheil an der Abfassung des Reformationsedictes vom 7. Febr. 1528; er starb 25. Febr. 1536. Vgl. Kirchhofer, Berth. H., Zür. 1828. 2) Albrecht von H., genannt der große H., geb. 16. Octbr. 1708 in Bern, wo sein Vater, aus einem alten angesehenen Schweizergeschlecht abstammend, Rechtsgelehrter war. Von seinem 12. Jahre an besang er allerhand Gedichte in deutschen Gedichten, für welche ihn bes. Lohenstein, Canitz u. Brockes Muster waren; studirte seit 1723 in Tübingen u. dann in Holland Medicin, 1728 in Basel Mathematik, zugleich faßte er eine Vorliebe für Botanik, in welcher Beziehung er auch mit Joh. Geßner eine Reise durch die Schweiz unternahm. 1729 wurde er Arzt in Bern, 1736 Professor der Medicin, Anatomie, Botanik u. Chirurgie an der neu errichteten Universität Göttingen. Er gründete daselbst den Botanischen Garten, das Anatomische Theater, eine Anstalt für anatomische Zeichnungen, ein Collegium der Wundärzte, eine Hebammenschule u. entwarf den Plan der königlichen Akademie der Wissenschaften. 1739 wurde er großbritannischer Leibarzt u. 1749 großbritannischer Staatsrath, auch vom Kaiser Franz I. in den Reichsadelstand erhoben. Später zog er sich nach Bern zurück, in dessen Großen Rath er schon 1745 aufgenommen worden war, blieb jedoch Präsident der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften, wozu er gleich bei deren Entstehen ernannt worden war. Zum Amman seiner Vaterstadt erwählt, blieb er dies bis 1773 u. st. 12. Dec. 1777. Seine Gedichte erschienen zuerst anonym als Versuch schweizerischer Gedichte, Bern 1732, 12. Ausg. ebd. 1828; Alpen: ein Lehrgedicht, deutsch u. französisch von V. E. Tscharner, Zürich 1773, Bern 1795; anatomische Werke; Icones anatomicae, 7 Hefte, Gött. 1745–55, gr. Fol.; Opera academica minora anatomici argumenti. Lauf. 1762–68, 3 Bde,; physiologische Werke: Elementa physiologiae corporis hum., ebd. 1757–66, 8 Bde.; dazu von J. G. Fr. Franz ein Auctuarium, 3 Hefte u. der 1. Thl. des vierten Frkf. 1780, 2. Aufl. als De partium corpor. hum fabrica et functionibus, Bern 1777, 8 Bde., deutsch von J. S. Halle (u. F. L. Tribolet), Lpz. 1759–76, 8 Thle.; Primae lineae physiol., Gött. 1747, 4 Aufl. von H. A. Wrisberg, ebd. 1780, deutsch zuerst Berl. 1769, u. Aufl. als: Grundriß der Physiologie, mit den Verbesserungen von H. A. Wrisberg, S. Th. Sömmerring u. F. Th. Meckel, umgearbeitet von H. M. von Leveling, in 2 Bdn. Erl. 1796 u.ö.; botanische Werke Iter alpinum anni 1731 u. Iter helvet. anni 1739 in den Opuscula botan., Gött. 1749; Enumeratio stirpium Hel vetiae, ebd. 1742, 2 Bde., Fol.; Ad enumerationem stirpium Hel v. emendationes et auctuaria, Bern 1760–65, 6 Thle., 2. Ausg. als: Hist. stirpium Helvetiae indig, ebd. 1768, 3 Bde., Fol.; Enum plantarum horti regii et agri gotting., Gött. 1753; Bibliotheca botanica, Zürich 1771 f., 2 Bde. Unter dem Namen seines Sohnes schrieb er mehrere botanische Briefe gegen Linné. Medicinische Werke: Ausgabe von: Boerhaaves Praelectio nes acad. in proprias institutiones rei med.,., auch Methodus studii med., u.m. (vgl Boerhaave); ferner: Artis medicae principes. Lauf. 1769–74, 11 Bde., u. 2. verb. Aufl. von Ph R. Vicat, ebd. 1784–87 (latein. Übersetzung des Hippokrates, Aretäos, Alexander von Tralles, Rhazes u. die Werke von Celsus u. Cölius Aurelianus); Disputationes anatomicae sel, Gött. 1746–52, 7 Bde.; Disputationen u. Sammlungen von Schriften: Collectio disputationum chirurg. sel., Laus. 1777; Disputationes ad morborum hist. et curat. facientes, ebd. 1756 bis 1760, 7 Bde.; Sammlung kleiner Schriften, Bern 1771, vollständiger als: Kleine deutsche Schriften, ebd. 1771 f., 3 Thle. Er schrieb auch den Roman Usong, eine morgenländische Geschichte, ebd. 1771; u. theologische Schriften: Briefe über die wichtigsten Wahrheiten der Offenbarung, ebd. 1772; Briefe zur Vertheidigung der Offenbarung, ebd. 1775–77, 3 Thle., der 1. Thl. n. Aufl. 1777. Nach seinem Tode erschienen noch: Vorlesung über gerichtliche Arzneiwissenschaft, ebd. 1782 u. 84, 2 Thle; Tagebuch seiner Beobachtungen über Schriftsteller u. über sich selbst, herausgeg. von Heinzmann, ebd. 1787; Tagebuch der medicinischen Literatur der Jahre 1746–74, herausgeg. von[880] J. J. Römer u. P. Usteri, ebd. 1760, 3 Bde. Sein früheres Leben beschrieb J. G. Zimmermann, Zür. 1755; Tscharners Lobrede auf H., Bern 1778, u. Eloge hist. d'Alb de Haller, Basel 1778 (von Sennebier); Biographie de A. de H., Lauf. 1640. 3) Gottlieb Imanuel von H., Sohn des Vor., geb. 1735 in Bern, wurde 1775 Mitglied des dortigen Großen Rathes, 1780 Gerichtsschreiber u. 1785 Landvoigt in Nyon u. st. 1786; er schr.: Schweizerisches Münz- u. Medaillencabinet, Bern 1780 f., 2 Bde.; Bibliothek der Schweizergeschichte, ebd. 1785–88, 7 Bde., u. am. Über die unter seinem Namen herausgegebenen botanischen Briefe s. Haller 2). 4) Karl Ludwig von H., Sohn des Vorigen, geb. 1. August 1768 in Bern, war 1795 Secretär des Täglichen Raths daselbst, emigrirte 1800 nach Deutschland, kehrte 1806 als Professor der Geschichte u. Statistik nach Bern zurück, wurde 1814 Mitglied des Kleinen Stadtraths u. des Großen Raths, machte 1818 eine Reise nach Italien, trat im October 1820 heimlich u. 1821 offen zur Katholischen Kirche über u. wurde seiner Ämter entsetzt; er ging 1824 nach Paris, wo er im Ministerium des Auswärtigen u. als Rechtslehrer junger Diplomaten angestellt wurde. Nach der Julirevolution von 1830 verlor er seine Stellung, ging wieder nach Solothurn, wurde 1834 daselbst in den Kleinen Rath gewählt, gehörte dort zu den Häuptern der ultramontanen Partei u. starb daselbst 20. Mai 1854. Er schr.: Restauration der Staatswissenschaften, Winterth 1816–26, 6 Bde., 2. Ausg. des 1. Bds. 1820. Vgl. H. Escher, Über die Philosophie des Staatsrechts, mit besonderer Beziehung auf die Hallersche Restauration etc., Zür. 1821; Lettre à sa famille pour lui declarer son retour à l'église catholique, Par. 1821 (deutsch von Paulus, Stuttg. 1821, von Studer, Bern 1821); Tzschirner, Der Übertritt des Herrn von H. zur Katholischen Kirche, Lpz. 1821; Antwort auf das Schreiben des Herrn von H., aus dem Französischen, ebd. 1821; Krug, Apologie der protestantischen Kirche, ebd. 1821, u.a.m. 5) Joh., geb. 1792 in Innsbruck, Bildhauer, machte seine Kunststudien in München, erhielt von König Max u. dem Kronprinzen um 1817 bedeutende Aufträge, von Letzterem namentlich die Sculpturen des Giebelfeldes u. der Nischen der Glyptothek, ging deshalb 1819 nach Rom, mußte indeß wegen Kränklichkeit heimkehren u. st. 1823.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 880-881.
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