Garten

[21] Garten, Gartenkunst. G. ist ein eingefriedigtes Grundstück, wo die Pflanzen mit größerer Sorgfalt gebaut werden als auf anderem Culturlande; angelegt wird er sowohl zum Nutzen als zum Vergnügen, kann deßwegen Obst-, Gras-, Gemüse-, Arzneipflanzen-, Blumen-, botanischer od. Luft-G. sein. Die Gärten sind so alt als der geregelte Anbau, indessen wissen wir von der Art, wie die Alten ihre Gärten anlegten, nur wenig. Die symmetrische Anordnung ist wohl das Erste, was die G.kunst anwandte, in ihrer Vervollkommnung bei Griechen und Römern suchte sie Abwechslung u. Symmetrie zu vereinigen und dem G. den Reiz einer Landschaft zu geben. In neuerer Zeit wurde die G.kunst zuerst von den Franzosen als eigentl. Kunst betrieben und zwar am vollkommensten unter Ludwig XIV., wo Le Nôtre in den Gärten von Versailles das Meisterstück lieferte. Die Regelmäßigkeit (Baumgänge, Figuren, Seen, kolossale Wasserwerke etc.) zeigt sich da in den großartigsten Formen und ist in ihrer Totalwirkung auf einen Punkt berechnet, näml. auf die Terrasse von Versailles. Die Holländer bildeten das regelmäßige System anders aus, indem sie in kleinen Räumen besonders durch die Vertheilung der Blumen auf geschmackvolle Weise einen Contrast der Farben zu bewirken verstanden; daß sie nebenher durch ihre Buchsbaumfiguren, bemalte hölzerne Statuen, vergoldete Baumstämmchen etc. lächerlich wurden, ist eine bekannte Sache. Eine 3. Richtung schlugen die Engländer im vorigen Jahrh. ein, indem sich bei ihnen (der Nation, die am meisten Sinn für das Landleben und landschaftl. Reize hat) die Idee ausbildete, der G. (Park) müsse das Bild einer Landschaft im Kleinen bieten. Abwechslung trat an die Stelle der regelmäßigen Anordnung, der gewundene Gang an die des geraden, die Gruppe verdrängte die Allee, lebendige Quellen und Bäche die Fontänen etc.; doch fehlte es auch nicht an lächerlichen Künsteleien, z.B. künstlichen Wasserfällen und Grotten, dessenungeachtet [21] aber bleibt dem engl. System der Ruhm, vorhandene landschaftl. Schönheiten bei ihren Anlagen am besten zu benützen. In Deutschland hat dasselbe längst Eingang gefunden u. ist in neuester Zeit von dem Fürsten Pückler-Muskau am vollkommensten ausgeführt worden. – Was die Nutzgärtnerei betrifft, so haben die Franzosen am meisten in der Cultur des Obstes, Engländer u. Holländer in der der Küchenkräuter u. Beeren geleistet, die Deutschen in allen Zweigen ziemlich viel; überseeische Gewächse werden vorzugsweise von den Engländern u. Franzosen nach Europa verpflanzt. Die G.kunst in allen ihren Zweigen bildet sich aus natürlichen Gründen nur da schwunghaft aus, wo Reichthum genug vorhanden ist, um der Kunst, der Naturschönheit und dem Geschmacke größere Opfer zu bringen, daher zieht die G.kunst den großen Städten, den Schlössern etc. nach.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 21-22.
Lizenz:
Faksimiles:
21 | 22
Kategorien: