Garten

[250] Garten, got. der garda = Stall, ahd. garto, mhd. garte, neben got. der garts = Haus, dann in Zusammensetzungen s.v.a. Garten, Kreis, ursprünglich Einzäunung, Einfriedigung eines Grundstücks, ahd. der gart, mhd. nur selten der gart. Vom deutschen Wort Garten und nicht[250] vom lateinischen hortus sind entlehnt franz. jardin, mit alter Nebenform gardin, span. jardin, ital. giardino und giardina, mittellat. gardinus und gardinum. Urverwandt mit Garten ist griech. χόρτος = Viehfutter, eigentlich Weideplatz, lat. hortus und cohors (cohort-), eigentlich Gehege, Hürde, Viehhof; auch im Litauischen und Slawischen ist das Wort weit verbreitet; in der Bedeutung Stadt, Burg lebt es in Ortsnamen auf altslawischem Boden, z.B. Belgard in Pommern, Stargard = Altenburg, Nowgorod = Neustadt. Die erreichbar älteste Bedeutung scheint Zaun. Daraus entwickelt sich das Eingezäunte, Eingehegte, daher Gestütgarten, Stuttgart, Tiergarten, Schaf-, Hasengarten. Die fernere Bedeutung ist Wohnstätte oder das zur Wohnstätte Gehörige, welche Bedeutung in den nordischen Sprachen weit verbreitet ist. Sodann ist Gart auch ein Landmass gewesen, ähnlich dem Wort Hufe. Der letzten Bedeutung gemäss, wonach der Garten ein zum Hause gehöriges, im unmittelbaren Dienste der Hausbewohner stehendes, dem Nutzen und der Lust dienendes, mit dem Spaten bearbeitetes Grundstück ist, zerfällt der Garten in Kraut-, Baumund Weingarten. Es hat in früherer Zeit einen öffentlichen, umhegten Platz in oder bei den Orten gegeben, wo man zusammenkam, Heimgarten, Kosegarten genannt, der aber auch als Gerichtsstätte diente; er war mit Linden bepflanzt und wurde später als Spielplatz gebraucht.

Der Gärten im engern Sinne wird auf deutschem Boden wohl zuerst in Karls des Grossen Capitulare de villis et curtis imperialibus vom Jahr 812 Erwähnung gethan, worin u.a. die Blumen- und Küchengewächse des Gartens und die Obstsorten, die gezogen werden sollen, Lilien, Rosen, Salbei, Raute, Gurken, Bohnen, Kümmel u.s.w. und nicht minder die Obst- und Zierbäume des genauesten aufgezählt sind. Ganz nach dieser Vorschrift sind auf dem bekannten, unter Abt Gozbert (816 bis 837) hergestellten St. Gallischen Klosterplan die Klostergärten dargestellt, nämlich der Obstgarten, der zugleich der Friedhof ist, mit Apfel-, Birn-, Pflaumenbaum, Eberesche, Mispelbaum, Lorbeer, Kastanien-, Feigen-, Quitten-, Pfirsichbaum, Haselnussstrauch, Mandel-, Maulbeer- und Walnussbaum; sodann der Gemüsegarten, in dessen Plan folgende Gewächse eingezeichnet sind: Zwiebeln, Lauch-Zwiebel, Sellerie, Coriander, Dill, Mohn, Rettige, Mangolo, Schnitt- oder Knoblauch, Schalotten, Petersilien, Gartenkerbel, Kopfsalat, Saturei, Pastinak, Kohl und Schwarzkümmel; neben diesem Garten steht das Gärtner- und Vorratshaus; kleiner endlich ist der Arzneikräutergarten neben der Wohnung des Arztes und dem Spital, worin u.a. folgendes zu finden: Salbei, Raute, Schwertel, Poleiminze, Liebstöckel, Fenchel, weisse Lilie, Rosen, Bohnen, Saturei, Bockshornklee, Rosmarin und Pfefferminze. Ähnliche Bedeutung hat das Gedicht des Reichenauer Mönches Walafrid Strabo, Hortulus genannt, welches eine Beschreibung des von dem Verfasser als Abt von Reichenau hergestellten Klostergärtchens enthält. Ebert, Lit. des Mittelalters, II, 158.

Ausser den Klöstern hatten wohl auch die Burgen des Mittelalters ihren Kraut- und Würzgarten, in denen die Rosen und Lilien nicht fehlten; von eigentlicher Gartenzucht ist aber kaum die Rede. Erst die Italiener der Renaissance-Periode errichteten Gärten in grösserem Massstabe, wie auch die ersten botanischen Gärten in Italien entstanden sein sollen. Der mehr und mehr auf die Natur gerichtete Sinn liess Fürsten und andere reiche Leute bei der Anlage ihrer Lustgärten auf das Sammeln vieler verschiedener Pflanzen und Varietäten derselben geraten,[251] sodass im 15. Jahrhundert einzelne Gärten durch ihre Blumenzucht weit berühmt waren.

In Holland und Deutschland sind seit dem 16. Jahrh. grössere Gärten angelegt worden und begann die Tulpen- und Hyazinthenzucht der Niederländer. Von den deutschen Gärten des 16. Jahrh. waren berühmt einzelne Patriziergärten von Augsburg, namentlich derjenige der Fugger, dann der Schlossgarten von Heidelberg, von welchem Merian ein aus der Vogelschau genommenes Bild giebt, die Gärten zu Stuttgart, Weimar, Köthen und Kassel. Als Begründer einer eigentlichen Gartenbaukunst gilt aber erst André Lenôtre, 1613–1700, welcher die Gärten von Versailles, Chantilly, St.-Cloud, in den Tuilerien, zu Fontainebleau und St. Germain anlegte und dadurch das Prinzip der bis aufs Äusserste getriebenen Symmetrie mit zierlich gezirkelten Blumenbeeten, Terrassen, Fontänen, grossen Wasserkünsten, hohen Hecken, Gitterwerken, Labyrinthen, Grotten, Statuen einführte. Noch weiter als die Franzosen gingen dann die Holländer, mit verschnittenen Bäumen, bemalten hölzernen Figuren, farbigen Steinen und Muscheln. Englische Aufklärer, namentlich Addison im Spectator, Pope in den kritischen Briefen und Horace Walpole in der »Geschichte der neuen Gartenkunst,« übersetzt von A.W. Schlegel, sodann Milton durch die Beschreibung des Gartens Eden und als Praktiker Will. Kent, wurden die Begründer der freien, an die Natur sich anschmiegenden englischen Gartenanlagen. Vgl. Teichert Gesch. der Ziergärten in Deutschland. Berlin 1865.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 250-252.
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