Krebs

[654] Krebs (scirrhus, cancer, carcinoma), das Produkt einer abnormen und eigenthümlichen, auf die Zerstörung u. Umbildung aller umgebenden Gewebetheile hinarbeitenden und damit ihre Bösartigkeit bekundenden Neubildung. Einen specifischen Elementartheil, welcher ausschließlich nur dem K.e eigenthümlich, scheint es nicht zu geben. Die anatomischen Elemente, welche den K. zusammensetzen. sind: 1) eine das K.gewebe durchdringende, zur Ernährung desselben in weiterer Wucherung bestimmte Flüssigkeit von verschiedener Consistenz, 2) das aus Fasern oder Zellen od. beiden zugleich bestehende K.gewebe. Je nachdem der eine dieser beiden Theile überwiegt, ist das Aussehen u. die Consistenz verschieden. Gegenwärtig bringt man sämmtliche Varietäten unter zwei Hauptgruppen: 1) Faser-K., scirrhus im engern Sinne, und 2) Zellen-K. (Markschwamm); eine 3. Form vielleicht bildet der noch nicht allseitig als K. form anerkannte Gallert-K. Die frühere Unterscheidung zwischen scirrhus, geschlossenem K. und carcinoma, offenem K. bezieht sich nur auf verschiedene Bildungsstufen des Faser-K.es. Scirrhus ist das frühere Stadium, das der exclusiven Neubildung, aber Carcinoma, K.geschwür bezeichnet dasjenige, wo die Neubildung mit der destructiven Metamorphose der normalen Gebilde combinirt ist. Die vielerlei Synonyme für einzelne K.varietäten, Markschwamm, Blutschwamm, Carcinoma alveolare, reticulatum, hyalinum, fasciculatum, melanodes, spina ventosa etc. beziehen sich auf die Struktur, den Sitz, das Aussehen oder andere äußere Eigenschaften des Aftergebildes. Eine wesentliche Eigenschaft [654] des K.es ist die, daß entweder sogleich von Anfang oder in dessen Verlauf dieses Leiden ein constitutionelles wird, weßhalb gar häufig secundär sich K.e in andern als den primär ergriffenen Organen entwickeln. Man nimmt deßwegen K.dyscrasie als Ursache u. Produkt dieses Leidens an. Nach den statistischen Erhebungen der Neuzeit ist kein Zweifel, daß die K.cachexie unter der civilisirten Menschheit im Zunehmen begriffen ist, und zwar ist so wenig ein Alter od. Stand als irgend ein Organ des Menschen von der Seuche verschont. Bis jetzt ist es der Medicin nicht gelungen, eine stichhaltige Aetiologie dieser Krankheit zu geben und damit eine prophylactische Behandlung möglich zu machen. Deßhalb ist die Prognose des K.es auch eine sehr bedenkliche. Hinsichtlich der Behandlung theilt sich die Aufgabe des Arztes in eine doppelte, 1) in die locale, 2) die allgemeine Behandlung. Daß die Entfernung des Aftergebildes in seinem früheren Entwicklungsstadium, wenn dasselbe überhaupt zugänglich, von der größten Wichtigkeit ist, bleibt über allen Zweifel erhaben und es scheint beinahe, als ob die Entfernung mittelst eines Arzneimittels jeder andern vorzuziehen sein möchte. Die bekanntesten Arzneimittel sind: das Cali causticum als Wienerpaste, der weiße Arsenik als kosmisches Pulver, die Mineral-, Schwefel-, Salpetersäure, die Spießglanzbutter, das Chlorzink, und in neuester Zeit insbesondere das von Landolfi eingeführte Chlorbrom. Jede andere locale Behandlung ist eine rein palliative je nach den Symptomen. Bezüglich der allgemeinen Behandlung hat man zwar in der Meinung und Absicht einer specifisch gegen die K.cachexie gerichteten Behandlung eine unzählige Masse von Arzneimitteln angewendet: das Gold, den Arsenik, die Blausäure, den Schierling, das Opium, die Belladonna, die Kohle, den Alaun, die Ringelblume (Calendula), das kohlen- und phosphorsaure Eisen, den Leberthran, das Zittmannische Decoct, in neuester Zeit von Landolfi das Chlorbrom in kleinen Dosen: allein leider hat keines noch entschieden den Vorzug verdient.

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 654-655.
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