Krebs [4]

[608] Krebs, Krankheiten der Stämme und Äste der Bäume, bei denen wulstige oder knotige Wuchergewebe als Überwallungsränder um kleine Wunden entstehen. Diese Erscheinung wird durch pflanzliche Schmarotzer, wie z. B. beim K. der Weißtanne (s. Rostpilze), beim Lärchenkrebs (s. Peziza) und beim Erdkrebs der Nadelhölzer (s. Erdkrebs und Rhizomorpha). hervorgebracht. Bei den Kernobstgehölzen, besonders dem Apfelbaum, auch beim Weinstock, den Spiräen u. a. stellt dagegen der K. eine spezifische Krankheit dar, für die beim Apfel- und Birnbaum wie beim Haselstrauch Bakterien als Erreger nachgewiesen sind. Er bildet in seiner ausgeprägtesten Form kugelige, berindete, am Gipfel trichterförmig vertiefte Holzgeschwülste, die den Durchmesser des sie tragenden Zweiges um ein Mehrfaches übertreffen (geschlossener, knolliger K.). Im Innern bestehen die Geschwülste aus allseitig wuchernden Überwallungsrändern, die konzentrisch um eine kleine, bis zum Holzkörper gehende Spaltwunde gelagert sind und zwischen sich einen rinnenförmigen Raum frei lassen. Letzterer mündet nach[608] oben in die am Gipfel befindliche trichterförmige Vertiefung aus. Eine weniger entwickelte Form zeigt der rosenartig offene (brandige) K., bei dem keine Knoten, sondern nur lippenförmige, terrassenartig abgestufte Überwallungsränder im Umkreis einer geschwärzten, offenen Wunde gebildet werden. In der Mitte letzterer findet sich häufig ein kurzer Holzzapfen als Überrest des jungen Zweiges, von dem das Absterben der Rinde ursprünglich ausging. Eine lokale Form des offenen Krebses ist der Astwurzelkrebs, der an der Astbasis auftritt. Der Weinkrebs erscheint an Arten von Vitis in der Nähe des Bodens in Form von kugeligen oder tonnenförmigen Holzauswüchsen, die gleichfalls aus Überwallungsgeweben von Längsspalten bestehen. Der als Ursache des Krebses bei Laubhölzern, wie Apfelbaum, Rotbuche, betrachtete Pilz Nectria ditissima Tul. bringt bei Impfung auf gesunde Stämme nur ein Absterben und Einsinken der Rinde, aber nicht die oben beschriebene Erscheinung des Krebses hervor. Als wahrscheinliche Ursachen des echten Baumkrebses sind mechanische Verletzungen und Frostrisse zu betrachten. Als Mittel gegen die Krankheit wird außer lokaler Behandlung durch tiefes und weites Ausschneiden der Krebsknoten und Bestreichen der Wunde mit erwärmtem Steinkohlenteer besonders die Vermeidung krebssüchtiger Sorten, sorgfältige Drainage und gleichmäßige Düngung empfohlen. Krebssüchtige Obstsorten bringen ihre Disposition zu der Krankheit vielfach auch auf neuen Unterlagen zum Ausdruck. Auf Obstbäumen erscheinende große, aus einzelnen, perlartigen Anschwellungen zusammengesetzte Wucherungen auf der Rinde sind Gallenbildung (Krebsgallen), die durch die Blutlaus (Schizoneura lanigera) hervorgebracht werden. Die Tiere besetzen gruppenweise die Zweige und führen ihren Saugrüssel durch die Rinde junger Zweige bis in die Kambiumschicht ein. Durch die abnorme Tätigkeit der letztern erhalten die Zweige beulenförmige Anschwellungen, die weiter wachsen, sich schließlich zerklüften und in Krebsgeschwüre übergehen; an den Rändern derselben bilden sich oft neue Geschwülste. Ein dem Apfelbaumkrebs ähnlicher K. auf Buchen (Buchenkrebs) wird durch die Buchenbaumlaus (Lachnus exsiccator) hervorgerufen. Vgl. R. Goethe, Über den K. der Obstbäume (Berl. 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 608-609.
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