Optimismus

[409] Optimismus (nlat., franz. v. lat. optimus = der beste) heißt theoretisch die Lehre, daß diese Welt, trotz ihrer mancherlei Unvollkommenheiten, die beste, die erschaffen werden konnte, d.h. möglichst vollkommen und auf die Glückseligkeit der darin lebenden Wesen berechnet sei. Diese Lehre findet sich schon bei den Stoikern. So sagt Kleanthes in seinem »Hymnus auf Zeus«: »Nichts geschieht ohne dich, Gottheit, außer was die Bösen tun durch ihre eigene Unvernunft; aber auch das Schlimme wird wieder durch dich zum Guten gelenkt!« Nach Chrysippos ordnet die Vorsehung (heimarmenê, fatum) alles aufs beste, und der Mensch kann sich dieser alles beherrschenden Logik anvertrauen. Gott ist der Vater aller, ist wohltätig und menschenfreundlich; zur Rechtfertigung der Übel geben die Stoiker eine ausführliche Theodicee (s. d. W.). Ebenso lehrt Plotinos den Optimismus, indem er die ganze Weltentwicklung als Emanation aus und Rückkehr zu Gott betrachtet. Nicht minder vertreten Platon (427-347) und Aristoteles (384-322) mit ihrer teleologischen Weltbetrachtung den Optimismus und im Anschluß an Aristoteles die scholastischen Aristoteliker Albertus Magnus (1193-1280) und Thomas von Aquino (1225-1274). Am bekanntesten aber ist Leibniz (1646-1716) als Optimist, weil er, angeregt durch Bayles (1647-1705) Zweifel, eine ausführliche »Theodicee« (1710) geschrieben hat. Gott hat die Ideen von unendlich vielen möglichen Welten; da von diesen nur eine existiert, muß es einen hinreichenden Grund dafür geben, warum er diese allen[409] anderen vorgezogen hat. Diese muß also die vollkommenste aller möglichen sein, denn wenn sie es nicht wäre, so hätte Gott eine vollkommnere entweder nicht gekannt oder nicht schaffen können oder nicht schaffen wollen; das aber widerspräche entweder seiner Weisheit, oder seiner Allmacht, oder seiner Güte. Die Übel, welche Leibniz keineswegs ableugnet, sind daher nach seiner Ansicht notwendig mit der Existenz der Welt bedingt. Denn sollte es eine Welt geben, so mußte sie aus endlichen, d.h. sündliche, beschränkten und leidensfähigen Wesen bestehn. Zwischen dem Reiche der Natur und dem der Gnade besteht eine durchgängige Harmonie. (Vgl. Theodicee.) Auch die folgenden großen Philosophen sind sämtlich Optimisten. Erst Schopenhauer (1788-1860) und v. Hartmann (1842-1906) haben im neunzehnten Jahrhundert den Pessimismus (s. d.) herausgebildet, welcher diese Welt für die denkbar schlechteste hält. Jener leitet den Optimismus mit Hume aus »heuchelnder Schmeichelei« gegen Gott ab; er sei eine schreiende Absurdität dieser Welt des Elends und der Sünde gegenüber, eine Ironie, eine »wahrhaft ruchlose Denkungsart« (W. a. W. u. V. I, 385. II, 663). Aber der Pessimismus beruht auf falschen Ansprüchen des Individuums, unrichtiger Auffassung des Wesens der Lust und Verkennung der zweckmäßigen Ordnung der Welt.

Im praktischen Sinne heißt Optimist derjenige, dessen Gemütsstimmung derart ist, daß er alle Begebnisse von der besten und heitersten Seite auffaßt, den Menschen das Beste zutraut und überall Mut und Hoffnung, selbst in schlimmen Lagen des Lebens, bewahrt.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 409-410.
Lizenz:
Faksimiles:
409 | 410
Kategorien: