I. Schlesische Sagen.

[407] 1. Geschichte des Grafen Walther und der Helgunda. Wir können mit Recht wohl diese Sage voranstellen, da sie ganz das Gepräge alter Zeit trägt und mit Anklängen an ältere Romanzen durchwebt ist. Sie hat durchaus noch das Kecke, Derbe der Ritterzeit und gründet sich auch auf einen alten Gesang. Noch in christlichen Zeiten zeigte man das Grab der Helgunda auf dem Schloß zu Wislicz in Felsen gehauen. Ein Chronikenschreiber Polens, Boguphalus, Bischof zu Posen (starb 1253.), der in lateinischer Sprache schrieb, erzählt diese Geschichte. Seine Chronik steht gedruckt in Sommersberg Script. Siles. Tom. II. p. 18-78. und diese Geschichte. p. 37-39. Eine Deutsche, nicht wörtliche, Uebersetzung lieferte schon Klose in der dokumentirten Geschichte und Beschreibung von Breslau (Breslau 1781.) Theil 1.[407] S. 254-261. Auf den letzten Seiten vermuthet Klose, diese Geschichte sei Erfindung eines Slaven, da sie ganz den Charakter dieser Nazion trage, nicht aber eine Deutsche. Mir erschien sie aber immer ganz Deutsch, da das Ueberfahren über den Rhein, das Nachsetzen des Ritters, der Kampf, heimischen Boden in Sinn und Wort bezeichnet; und so fand es sich dann auch bei näherer Untersuchung, da es keine andere Geschichte, als die des Walter von Aquitanien ist, über die wir ein großes Gedicht in lateinischer Sprache besitzen, und das zum Kreise der Nibelungen gehört. Siehe mehr darüber in unserem Grundriß zur Geschichte der Deutschen Poesie (Berlin 1811. 8.) S. XXII.-XXIV.


2. Die Heidnische Jungfrau im Schlosse zu Glatz. Aelurius in seiner Glaziographie (Leipzig 1625.) S. 125-29 erzählt von dieser Jungfrau nach alten Sagen. Eine jede Erwähnung derjenigen Dinge, die man noch heutiges Tages sieht und die Bezug auf diese Jungfrau haben, geht auf die Zeit des Aelurius. Im Breslau'schen Erzähler Jahrgang 4. (Breslau 1803.) S. 100-5, 115-19, 135-40 finden sich drei Sagen von der Jungfrau im Schlosse zu Glatz, von Fülleborn erzählt. Da es indessen zweifelhaft, ob sie nicht eigene Erfindungen Fülleborn's, oder,[408] wie er häufig that, Uebertragungen fremder Sagen auf heimischen Boden sind, so hat man sie für jetzt nicht aufgenommen. Gleiche Bewandniß hat es mit mehrern Sagen im Breslau'schen Erzähler, besonders hat Rübezahl manches fremde, sogar Orientalische Mährchen auf sich nehmen müssen.


3. Die große Linde bei Eisersdorf, auch aus Aelurius Glaziographie. S. 125. 26.


4. Das Bild des Bären und der Jungfrau auf dem Zobtenberge. Aus Gothofr. Henr. Burgharti Iter Sabothicum, Breslau und Leipzig 1736. 8. S. 103-4. In Stein roh gehauen, vom Regen abgewaschen, mit Moos zum Theil bedeckt, findet man noch dies Frauenbild mit dem Fisch und dem dabei sitzenden sehr unkenntlichen Bären auf dem Wege zum Gipfel des Zobten. Das Bild der Frau hat eine Länge von 5 Ellen (nach der angeführten Reisebeschreibung), ungeachtet die Füße und der Kopf fehlen, und vermuthlich abgebrochen sind. Der Bär, welcher neben ihr sitzt, ist drei Ellen ungefähr hoch und scheint die rechte Tatze gegen ihre rechte Achsel auszustrecken. Beide Statuen waren mit Moos sehr bewachsen, als sie Burghart zeichnen wollte, welches derselbe erst vorher abputzen mußte. Dieser erzählt in dem angeführten Buche, wo auch ein[409] doppeltes Bild dieser Merkwürdigkeit ist, S. 101-2 weiter: Der Stein, woraus sie bestehen, ist der hier gewöhnliche dunkel graue, doch etwas grobe Marmor und bei der Figur selbst konnte man die Ueberbleibsel des Halses gar deutlich gewahr werden. Die Brust ist nach Proporzion des übrigen Körpers breit genug, aber ganz flach und scheint nackend zu sein. Den linken Arm kann man neben der Brust deutlich liegen sehen. Am Unterleibe bis auf die Füße scheint sie bekleidet. Auf dem Schooße hat sie einen annoch sichtbaren und fast drei Ellen langen, etwas linker Seits gekrümmten Fisch liegen, der ihr noch weit bis über das Gelenk des linken Ellenbogens mit dem Kopfe reicht. Von den Händen, womit sie den Fisch ohngefähr in der Mitte umfaßt, sind nur Erhöhungen, aber keine Finger mehr zu sehen, wie ihr dann auch vom linken Ellenbogen ein Stück abgesprungen oder abgeschlagen worden. Der neben ihr sitzende Bär sieht sehr plump aus und kann man nichts deutlicher, als die Spuren der Ohren an ihm sehen, das eine davon schien vor noch nicht gar zu langer Zeit abgebrochen zu sein, weil der Stein daselbst, in Ansehung des andern, noch ganz frisch und von der Witterung noch nicht sehr befleckt war. Auf der andern Seite ließen sich von den Vordertatzen, eben sowohl wie von den Hinterfüßen, worauf er, als[410] ein dienender Hund, sitzet, genugsame Anzeigungen, wie auch der rund erhabene Bauch deutlich spüren.

Ob die Geschichte wahr sei, oder bloß durch die Zeit unbekannt gewordenen Steinfiguren ihre Entstehung verdankt, ist nicht zu bestimmen. An mehrern Orten wird sie erzählt, auch angedeutet in Kunowsky's Beschreibung des Zobtenberges. Schles. Provinzialblätter 1810. St. 8. S. 108-9.


5. Das Bild des Mönchs und Wolfs. Schles. Provinzialblätter 1810. St. 8. S. 109-110. Der Wolf, der sonst links am Wege von Floriansdorf nach Rogau auf Marxdorfer Gebiete lag, soll jetzt im Gehöfte des Bauers Wolf zu Marxdorf stehen, der ihn mit Musik hohlte, als er um und in den Fahrweg geworfen worden war. Der aus Granit gehauene Mönch steht noch unweit des Kieferndorfer Busches, links von der Straße nach Breslau, tausend Schritt hinter Kieferndorf. Kunowsky, ebendas. S. 109. – Das im Anfange erwähnte Kloster waren Augustinermönche, denen von Grafen Peter Wlast 1110 dort oben ein Kloster gebaut ward, was sie später nach Gorkau, dann auf die Sandinsel nach Breslau verlegten.


6. Wie das Kloster Trebnitz erbaut worden. Die Sage ist allgemein bekannt. Das Volkslied steht in einer handschriftlichen Sammlung,[411] die der verstorbene Fülleborn besaß, und woraus es im Breslau'schen Erzähler Jahrgang 2. Thl. 3. S. 434-35. abgedruckt steht. Man findet es auch im Wunderhorne II. S. 260. 61.


7. Die Ermordung der Tartarischen Kaiserin zu Neumarkt. Die Eizählung steht in der Legende der heiligen Hedwig, welche im Jahre 1504 in Deutscher Sprache zu Breslau in Folio gedruckt erschienen ist, Bogen Jij und iij, da es unfoliirt ist. Es ist historisch erwiesen, daß das Ganze nur ein Mährchen des Vols ist, welches aber sehr geliebt ward, da auch ein Volkslied darüber vorhanden, welches wir angefügt haben, und das aus jener eben erwähnten Sammlung herstammt. Es stand ebenfalls im Erzähler, am angeführten Ort, Thl. I.S. 63. 64 und im Wunderhorne II. S. 258-60.


8. Fräulein Kunigunde von Kynast. Nach der Geschichte in einem kleinen Hefte, das in Breslau und auf dem Kynast verkauft wird. Der Kynast bei Hermsdorf. 4te Auflage 1808. Hirschberg. S. 9-13. – Eine Bearbeitung von Fischer, mit ganz verändertem Schlusse, steht in dem Taschenbuche für Freunde des Riesengebirges. Nicht allein der Kommendant des Kynasts erzählt noch stets die Geschichte, sondern die Kinder desselben bringen auch dem zum erstenmale hinaufkommenden[412] Freunden einen Haubenstock, dessen Kopf mit einer Igelhaut überzogen ist, als Bild der schönen Kunigunde, die einen Kuß verlange. Eine Gabe beschwichtigt die Kinder; denn sie ist ihr Zweck.


9. Das Innere des Zobtenberges. Die erste Geschichte aus Gothofr. Henr. Burgharti Iter Sabothicum s. oben S. 99-100. Die zweite aus dem Schlesischen historischen Labyrinth. Breslau und Leipzig. 8. 1737. S. 731. Wenn ich nicht irre, giebt's auch noch ein eigenes, weit gesponnenes Mährchen von Kotzebue, von der Wunderhöle im Zobten.


10. Rübezahl, der spukende Berggeist der Sudeten, ist zu bekannt, als daß noch viel von ihm angeführt werden sollte. Es würde eine wenig dankbare, für diesen Zweck selbst undankbare Arbeit sein, die weitläuftigen literarischen Nachweisungen über diesen Berggeist zu geben, wo Geschichten von ihm gefunden werden und wie sie gestaltet sind. Eine nicht minder undankbare Arbeit wäre es gewesen, mehr als die gewählten Geschichten von ihm zu erzählen. Alle sind in dem Munde des Volkes von einem Schlage und Zuschnitt und nur in dem Munde liebreicher Mährchenerzähler erhielten sie den Farbenschmelz, die sie der Jugend und dem Alter so lieb machen. Wir[413] konnten und wollten uns, unserm Zwecke nach, nicht an diese zu reihen versuchen. Besonders lieblich erschien uns immer das Mährchen in den neuen Volksmährchen der Deutschen von Erdmund und Maria, welches traulich und reitzend, ohne störende Anmerkungen zum Leser spricht. Eben so hat Musäus Rübezahl verherrlicht und auch Friedrich August Schuster hat in seinen Volksmährchen der Schlesier (Breslau 1801.) S. 85-159 ein unbedeutendes Mährchen geschickt benutzt. Die Bearbeitung mit weiser Mäßigung, wie sie den Mährchen-Dichtern geziemt, bleibt auch die einzige Art, wie Rübezahl geschickt aufgeführt werden kann; bloß nacherzählt, hat er etwas Langweiliges, Trocknes. Wir haben uns daher mit wenigen, zur Urkunde der Art und Weise, wie man ihn findet, begnügt. Vieles Fremdartige, das auch andern Geistern und Zauberern zugeschrieben wird, trug die Zeit und die Laune der Erzähler auf ihn über. Es bleibt nur noch anzuzeigen, woher diese Geschichten genommen sind. 1. Aus Daemonologia Rubinzalii Silesii, das ist, ein ausführlicher Bericht von dem Rübezahl. Durch Praetorius. Die dritte Edizion. Leipzig. 12. 1668. Thl. I.S. 232-37. – 2. Ebendaher S. 275-77. Diese Geschichte wird auch, in andern Sagen, dem Teufel beigelegt, der mit dem armen Bauer Mitleiden gehabt[414] haben soll. – 3. Ebend. S. 284-85. Dieser Scherz wird auch dem Böhmischen Zauberer Zesthen beigelegt, von dem weiter unten siehe, wo dieselbe Geschichte kurz noch einmal steht. Um zu zeigen, wie solche Sagen von dem einen Zauberer zum andern übergegangen sind, hat man die nehmliche unter beiden Personen beigebracht. Künftighin, in gleichen Fällen, nur Hinweisungen. – 4. Daselbst S. 285-92. Dies Mährchen ist noch eines der unterhaltendsten und angenehmsten und möchte wohl den Vorrang vor allen andern verdienen. 5. Aus demselben Buche, aber dem zweiten Theile (Leipzig 12. 1671.) S. 20-26. Liebenthal war ein Jungfrauenkloster Benediktiner Ordens, dicht an dem Gebirge; nahe daran und dazu gehörend ein Städtlein gleiches Namens. 6. Eben daher S. 42-45. 7. Ebendaselbst S. 183-88. 8. Daselbst S. 248-54.


11. Der diebische Rathsherr zu Schweidnitz, genommen aus Phoenix redivivus ducatuum Svidinicensis et Jauroviensis, autore E.I. Nasone. Breslau 1667 4. S. 91-94. Es ist der gemeine Ruf, sagt Naso S. 93, daß diese Geschichte kein erdichtetes Wesen, sondern in Wahrheit also gründlich bewandt sei, wiewohl in dem Rathsarchive hiervon nichts verzeichnet anzutreffen, in Erwägung, daß man solche ungewöhnliche[415] That und erschreckliche Geschichte, aus erheblichem Bedenken, sintemalen ohne dies das Gedächtniß in Stein ausgehauen bleiben würde, denen Stadtbüchern nicht einverleiben wollen; dannenhero der Name des unglückseligen Rathmannes, wie auch der Tag und Jahr des vorgeloffenen Trauerspiels in dem Alterthum verborgen liegt. – Anstatt des entseelten Körpers hat man ein steinernes Bild, so dessen Gestalt vorgewiesen, zum ewigen Gedächtniß begangener Missethat, auf das steinerne Thurmgeländer gesetzt, welches im Jahre 1642 ein mächtiger Sturmwind herunter geworfen, davon auf dem Rathhause annoch der Kopf zu befinden sein wird. – Im Jahre 1811 wollte man von diesem Kopfe, der, wie Naso S. 92 sagt; »einen großen, runden Bart geführt,« nichts mehr wissen, wie das Ganze auch als Mährchen verworfen wird. S. 94 erzählt Naso noch: »Altbetagte Leute, so von ihren Vorältern solchen Verlauf vernommen, berichten, daß noch zu ihrer Zeit, ohne voriges Bildniß, gemeldter büßender Rathsherr nebst der Dohle, in Stein ausgehauen, über dem Thore seines Hauses gestanden, welches steinerne Bild, so ich deswegen selbst eigentlich betrachtet, in dem Hofe der Wohnung bis auf diese Stunde eingemauert zu befinden ist.« – Obgleich man nichts über seinen Namen weiß, legt ihm[416] Naso doch S. 93. 5. Kinder bei. Man findet auch diese Geschichte im Breslauer Erzähler, Breslau 1802. Jahrgang III. S. 626-28.


12. Die beiden steinernen Bilder beim alten Rathhause zu Breslau. Nach einer mündlichen Ueberlieferung.


13. Die Gott geweihte Nonne zu Löwenberg, ebenfalls aus dem phoenix redivivus s. oben S. 153-155. Dort, wo sie oben abgebrochen, fährt Naso fort: »welche zum ewigen Gedächtniß solcher wunderlichen Geschicht (woraus zu lernen, daß man die Gott geheiligten geistlichen Jungfrauen in ihrer Reinigkeit nicht anfechten, noch mit Gewalt aus dem Kloster-Leben ziehen solle) nicht ferne von dem Eingange der Kirche, an einer steinernen Säule, in einem erhabenen Grabe zusammen vereinigt und darauf beider Bildniß, der Bräutigam in weltlichem und die Jungfrau in geistlichem Kleide in Stein ausgehauen worden, wie denn solches Grabmahl noch heutiges Tages daselbst unversehrt anzutreffen. Man meldet, daß der Braut geistlicher Habit lange Zeit an der Säule, über dem Leichsteine gehangen haben solle. Ich aber habe mehr nicht, als ein Stück von ihrem Franziskanergürtel oben angeknüpft befunden.« – So weit Naso, der den[417] Vater des Jünglings einen Präfekten der Maltheser Kommende (welche zu Löwenberg war) nennt. – Auch Sutorius in seiner Geschichte von Löwenberg (Bunzlau 1784.) erzählt Thl. 2. S. 312-14 diese Geschichte und verweis't sie unter die Mährchen, so wie mehrere andere Schlesische Historiker. Ganz zu verwerfen ist sie, wie alle diese Sagen des Volks, gewiß nicht.

Die jetzige Klosteraufhebung gab mir Gelegenheit, auch dieses Grabmahl, wiewohl ohne hinlänglichen und genügenden Erfolg, zu untersuchen. Es fand sich noch an der Seite der Kirche, bei einem Pfeiler, woran ein Nebenaltar. Die Platte ist Sandstein. Rechts liegt ein Frauenzimmer darauf, in langem, faltigem Gewande, oben über den Kopf einen Schleier geworfen, mit eng anliegenden, langen Aermeln, die aber oben, am Oberarm, weiter werden. Die rechte Hand reicht sie einem neben ihr stehenden Ritter, die linke hat sie mit zwei Fingern auf die rechte Brust gelegt, in der Hand einen Rosenkranz haltend. Der Ritter ist in leichtem Harnisch, mit bloßem, lockigtem Haupte, reicht ihr die rechte Hand ohne Handschuh, in der linken, mit Handschuh, hält er einen Schild und sein Schwerdt, rechts hängt ein kleiner Dolch an der Hüfte. Oben, zwischen den Köpfen, schwebt ein[418] leichter Helm. Unten, an der Seitenfläche des Steins, wo die Füße der abgebildeten Personen stehen, unter ihr ein Drache, unter ihm ein Löwe. Auf dem Schilde steht nichts, einige scheinbare Buchstaben sind gewiß später eingekratzt. Sonst findet sich auch durchaus keine Inschrift.

Es ward die Hoffnung gehegt, daß beide Personen vielleicht in einen metallnen Sarg gelegt sein möchten und diese denkwürdige Geschichte durch irgend eine in denselben gelegte alte Schrift verewigt sein könnte, da sie, wenn die Sage wahr erzählt, den Zeitgenossen zu wichtig sein mußte. Es wurde daher, da überdies der Grabstein wohl in eine andere Kirche zu bringen sein wird, mit Erbrechung des Grabes vorgeschritten. Nach Abreißung des obern Aufsatzes, der von Quadersteinen gemauert war, kam leichte Erde, mit Bruchsteinen untermischt, dann bald eine Menge auf einander gebauter Quadersteine, die eigends behauen schienen. So kamen die Arbeiter drei Ellen tief, ohne etwas anders als Steine, mit Erde gemischt, oft von beträchtlicher Größe, zu finden. Bisweilen erschienen kleine Knochen, Ribben, Armknochen und dergleichen, aber kein Kopf. Als die Arbeit auf dieser Seite vergeblich war, ward rechts hinüber, gegen den Gang zu, gearbeitet; hier fand sich leichte[419] Erde, bald auch verwitterte Pflanzenerde, von dem zerfallenen Sarge, und in kurzem nicht allein die Beinknochen, sondern auch die Rippen, Armknochen und der ganze Schädel, eines Mannes, mit Ober und Unter-Kinnlade und schönen, zwar lose neben einander stehenden, aber noch ganz vollständigen Zähnen, die einen Mann in der Blüte seiner Jahre anzuzeigen schienen. Von dem weiblichen Körper war, rechter Hand von dem männlichen, wo er, dem Grabsteine nach, liegen mußte, durchaus nichts zu entdecken, so wie auch keine Spur von Bekleidung, ritterlichem Schmucke und dergleichen bei dem Gerippe übrig geblieben war. Es wäre nun noch möglich gewesen, daß der weibliche Körper links gelegen hätte; hier waren aber auch die Untersuchungen, die nur oberflächlich angestellt werden konnten, da es zu finster ward und der nicht aufgehobene steinerne Estricht der Kirche nachzustürzen drohte, vergeblich. Bieten nun leider diese Nachgrabungen kein sicheres und festes Resultat dar, so scheint es doch beinahe ausgemacht, daß nur ein Leichnam unter dem Steine gelegen und mit höherem Rechte tritt diese Geschichte in das Reich der Mährchen über.


14. Die große Braupfanne beim Dorfe Warthau. Dies Mährchen gründet sich[420] auf mündliche Ueberlieferung. In dem Steinbruche bei Warthau befindet sich noch die verhängnißvolle, sehr große Braupfanne, die ich selbst gesehen. Sie ist über 26 Fuß lang und wohl 3 Fuß breit, aus einem mächtigen Steine gemeißelt und das Kunststück irgend eines Arbeiters im Steinbruche. Ihre Größe, und daß sie in der Tiefe steht, macht, daß sie noch nicht von ihrer Stelle hat bewegt werden können. Sie hat seit einigen Jahren einen Sprung, da sich im Herbste Wasser darin gesammelt, dies gefroren war und die Pfanne gesprengt hatte. Die zwölf kleinen Gefäße dienen jetzt im Dorfe Warthau dem Vieh zu Krippen. Warthau liegt zwischen Bunzlau und dem Gröditzberge, auch finden sich dabei die Ruinen eines alten Raubschlosses, in dem die geldbegierige Menge einen Schatz ahndet, der auch nicht weichen kann, da das Schloß mit Wasser rund umgeben ist. Ein Mann hat ihn schon einst gehoben gehabt, da reitet ein possierliches Männlein auf einem Ziegenbocke vorbei, er bricht das Geistern durchaus angenehme Schweigen und der Schatz versinkt wieder. Noch war niemand wieder so glücklich, ihn so hoch über den Erdboden zu erheben.


15. Rechenberg's Knecht, fand ich in dem Breslauischen Erzähler, von Fülleborn, im dritten Jahrgange, im zweiten Quartal. (Breslau[421] 1802) S. 402-4. Es hat mit dieser Geschichte ebenfalls die bei Nr. 2. erwähnte Bewandniß, daß ich unschlüssig bin, ob sie wirkliche Sage ist, oder bloß eine Uebertragung Fülleborn's auf vaterländischen Boden. Die Sage selbst hat aber so etwas Frommes und Liebliches, daß ich sie ungern ausgelassen hätte.


16. Der schwarze Friedrich zu Liegnitz. Auch diese Geschichte erzählte uns Fülleborn in dem oben angeführten Jahrgang des Erzählers, im ersten Quartale S. 74-76 und S. 82-84. In allen historischen Werken heißt er der schwarze Christoph und er kommt in Chroniken sowohl, als ältern und neueren Geschichtsbüchern häufig vor. Ein Aufsatz über ihn steht in den Schlesischen Provinzialblättern Jahrg. 1791. S. 35-51 und S. 139-150. Im Jahre 1513 ward er gehängt. Auch Thebesius spricht von ihm, so wie in den Schlesischen Analekten, Schmiedeberg 1790. Juni, ein Aussatz über ihn stehen soll, den ich wohl gewünscht hätte zu lesen; ich habe aber nicht diese Zeitschrift erhalten können. Das angeführte Gedicht ist aus Wahrendorf's Liegnitz'schen Merkwürdigkeiten, Budissin 1724. S. 290-91. – Auf dem Zeughause zu Liegnitz befand sich noch bis zum Jahr 1740 der große Bogen des Christoph, sein sammtenes,[422] rothes Kappel, in welchem er den Teufel beherbergt haben sollte, weil ein Mensch nicht im Stande gewesen sein konnte, ohne Teufelshülfe den gewaltigen Bogen zu spannen, sein ledernes Kollet von Elendshaut, durch welches keine Kugel geben konnte, und sein Halstuch. In dem gedachten Jahre ward das ganze Zeughaus verkauft. Ein Geistlicher aus Leubus kaufte diese und andere Rüstungen für eine äußerst geringe Summe und so kam der Bogen und ein Pfeil des Christoph noch jetzt mit nach Breslau. Kappel, Kollet und Halstuch sind nicht gefunden worden.

Was aber diese Sage am merkwürdigsten macht, ist die Uebereinstimmung mit einer Harzsage die Danneelshöle, die unter diesen sich auch, in unsrer Sammlung, des merkwürdigen Zusammenhanges wegen, befindet. Da die Historiker allgemein als bloße Sage alles dasjenige verwerfen, was wir vom schwarzen Friedrich erzählt haben, so mag wohl jenes Harzmährchen hierher verpflanzt und heimisch geworden sein.

Quelle:
Johann Gustav Büsching: Volks-Sagen, Märchen und Legenden. Leipzig 1812, S. 407-423.
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