Brandung [1]

[248] Brandung. Diese ist entweder Strandbrandung oder Felsbrandung [1]; die erstere kommt an Flachküsten vor und ist unausgesetzt tätig, wogegen an einer Felsküste nur durch stärkeren Wind eine zerstörende Brandungswoge erzeugt wird.

Wenn eine ganz regelmäßig gebaute Welle von trochoidaler Gestalt in das seichte Küstenwasser kommt, so wirken zwei Umstände formverändernd auf sie ein; nämlich einmal kann die Orbitalbewegung, die nur nach oben, nicht aber nach unten freien Spielraum findet, nicht mehr wie früher zustande kommen, und dann bewirkt auch die Reibung am Grunde ein Voreilen des oberen Teiles der Welle. Diese wird so zur Sturzwelle und kann unter Umständen, wie die berüchtigte Kalema an der Küste von Portugiesisch-Westafrika sie bietet, eine ganz ungeheure mechanische Arbeit leisten [2]. Auch die schwächere Strandbrandung übt einen Zerstörungseffekt aus, indem sie Teilchen der Küste loslöst und – im sogenannten Sog – in das Meer hinausführt, während auch anderseits die Zerstörungsprodukte wieder an gewissen Stellen des Gestades abgelagert werden können [3], so daß Landverlust und Landgewinn miteinander abwechseln.

Die Felsbrandung, auch Klippenbrandung genannt, ist durch die gewaltigen Höhen gekennzeichnet, bis zu welchen das inkompressible Wasser, an einem ebenfalls zunächst unwandelbaren Widerstande aufgehalten, emporsteigen kann, da ihm eben nur die dritte Dimension noch freisteht. Auf der Shetlandinsel Unst wurde einmal, wie Stevenson berichtet, eine vom normalen Wasserspiegel um 59 m entfernte Leuchtturmtüre durch die Wellen eingeschlagen; die gewaltige Energie der Brandungswogen zu bestimmen, hat eben auch Stevenson [4] seinen als Wellendynamometer bekannten Apparat konstruiert und u.a. gefunden, daß in einer Höhe von 7 m über dem Mittelwasser auf 1 qm vertikaler Fläche ein Druck von 11000 kg ausgeübt wurde. Die geologischen Leistungen derartigen Wogenanpralles sind selbst dann sehr beträchtlich, wenn die Küste Stabilität besitzt; dafür liefert die Insel Helgoland den besten Beweis, obwohl es weit übertrieben ist, zu behaupten, daß diese schon in naher Zukunft dem Meere zum Opfer fallen müsse [5]. Ganz erheblich wird jedoch der Zerstörungseffekt gesteigert, wenn die Wasserlinie sich in positiver Bewegung befindet, indem entweder das Wasser steigt oder das Land sich senkt; alsdann kommt es zur Abrasion, wie sie v. Richthofen [6] zuerst an der chinesischen Küste wahrgenommen hat, wo ganze Gebirge von den Fluten weggeschwemmt wurden, an deren Stelle jetzt eine langsam ansteigende Abrasionsfläche getreten ist.


Literatur: [1] Krümmel, Handbuch der Ozeanographie, Stuttgart 1887, 2. Bd., S. 82 ff.; v. Richthofen, Führer für Forschungs Reifende, Berlin 1886, S. 337 ff., 352 ff., 669 ff., 692 ff. – [2] Güßfeldt und Pechuel-Lösche, Die Loango-Expedition, Leipzig 1882, 3. Bd., l.Teil, S. 18 ff. – [3] Philippson, Verteilung der Strandgerölle an den Küsten der Insel Rügen, Sitzungsberichte der Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde, 1892, S. 63 ff. – [4] Stevenson, Account of Experiments upon the Force of the Waves of the Atlantic and German Oceans, Transactions of the Edinburgh Philosophical Society, 16. Bd., S. 23 ff. – [5] Wiebel, Die Insel Helgoland, Hamburg 1818; Tittel, Die natürlichen Veränderungen Helgolands und die Quellen über dieselben, Leipzig 1894. – [6] v. Richthofen, China, Ergebnisse eigener Reifen und darauf gegründeter Studien, Berlin 1882, 2. Bd., S. 130 ff.

Günther.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 2 Stuttgart, Leipzig 1905., S. 248.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: