Dreieck [3]

[99] Dreieck , astronomisches, oder Positionsdreieck heißt bei den Zeit- und geographischen Ortsbestimmungsaufgaben der geodätisch-praktischen Astronomie das Dreieck an der Himmelskugel mit den Eckpunkten: Zenit des Beobachters, Himmelspol und Gestirn.

Ist Z das Zenit, P der Pol, S der jeweilige Ort des Gestirns, so sind in diesem Dreieck Zenit–Pol–Stern:

die Seiten:

Zenit–Pol, ZP – 90° – φ = Komplement der Polhöhe des Beobachtungsorts,

Pol–Stern, PS = 90° – δ = Poldistanz oder Komplement der Deklination des Gestirns,

ZenitStern, ZS = 90° – h = z = Zenitdistanz oder Komplement der Höhe des Gestirns;

und die Winkel:

in P, ZPS = t = Stundenwinkel des Gestirns,

in Z, PZS = 180° – a = Supplement des Azimuts des Gestirns,

der dritte Winkel, in S, PSZ, ist unwichtig, er heißt Variation (oder auch parallaktischer Winkel oder Positionswinkel).

Von diesen Koordinaten (t, δ) einerseits, (a, h) oder (a, z) anderseits der Sterne sind t, a und z – von diesem wird vorausgesetzt, daß es für Refraktion, bei Gestirnen mit merklicher Horizontalparallaxe auch für die Höhenparallaxe verbessert sei – in jedem Augenblick veränderlich, δ aber ist bei den Fixsternen und fernen Planeten für Stunden, für viele Zwecke bei den Fixsternen für Tage unveränderlich (für die Sonne und die der Sonne und Erde nahen Planeten aber meist ziemlich rasch veränderlich). Näheres über diese sphärischen Koordinaten, ihre Anfangspunkte und ihre Zählweise s. im Art. Koordinaten am Himmel. Der Zusammenhang zwischen dem veränderlichen Stundenwinkel t, der Sternzeit Θ des Augenblicks und der (für die Fixsterne in demselben Sinn wie δ unveränderlichen) Rektaszension α des Sterns ist gegeben durch die allgemein gültige Gleichung Θ = α + t (vgl. d. Art. Sternzeit), die bei gegebener Sternzeit den Stundenwinkel t und umgekehrt liefert.

Im übrigen gibt die Anwendung der Grundformeln des sphärischen Dreiecks auf das Dreieck Zenit–Pol–Stern und die sich hieraus ergebenden Differentialformeln die Beziehungen, der die Ortsbestimmungsaufgaben bedürfen. Die wichtigsten dieser Beziehungen lauten (je durch Anwendung der drei Grundformeln):


Dreieck [3]

Weitere Formeln sind durch Kombination der vorstehenden zu gewinnen oder auch durch unmittelbare Anwendung weiterer Formeln des sphärischen Dreiecks, z.B. der Delambreschen und Neperschen Proportionen, auf das astronomische Dreieck.

Die Differentialformeln dienen zu Verbesserungs- und Reduktionsrechnungen sowie zur Feststellung der für eine bestimmte Messungsaufgabe günstigen Umstände; z.B. liefert (I, 1) durch Differentiation, wobei h und t veränderlich, also d h und d t als einander entsprechende Differentiale zu nehmen sind:

cos h d h = – cos δ cos φ sin t d t oder

d h = – cos δ cos φ sin t/cos h = d t oder wegen (1,2) d h = – cos φ sin a d t.

Die Geschwindigkeit der Höhenänderung eines Gestirns (dh/dt) ist also an einem bestimmten Beobachtungsort (φ) nur vom Azimut abhängig und wird zum Max. mit sin a = ± 1, a = ± 90°, d.h. im »ersten Vertikal«; man hat demnach, wenn die Zeit durch Messung von Zenitdistanzen zu bestimmen ist, diese in der Nähe des ersten Vertikals zu nehmen, da dann einem bestimmten Messungsfehler d h = – dz ein möglichst kleines d t entspricht (s. Zeitbestimmung), u.s.w.


Literatur: Vgl. die Werke über sphärische und geodätisch-praktische Astronomie, die im Art. Theodolit, astronomischer, aufgeführt werden.

Hammer.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 99.
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