Halbparabelträger [1]

[757] Halbparabelträger heißen Fachwerke mit einer parabolischen Gurtung, wenn die Trägerhöhe nicht, wie bei den Parabelträgern (s.d.), nach den Auflagern hin bis auf Null herabgeht (Fig. 16). Die zweite Gurtung ist meist gerade (Fig. 1, 2, 4–6), mitunter bezüglich einer Horizontalen symmetrisch zur ersten (Fig. 3). Derartige Formen wurden für Brücken besonders gewählt, um im Gegensatze zu Segmentträgern und Linsenträgern (s. Bd. 3, S. 537) eine obere Querverbindung bis zu den Enden zu ermöglichen, dabei aber ein besseres Aussehen und größere Steifigkeit zu erreichen als durch Parallelträger (s.d.) von gleicher Höhe. Im Vergleiche zu ersteren kann noch eine zweckmäßigere Anordnung der Endknotenpunkte und die Vermeidung von Gegendiagonalen (s.d.), abgesehen von einigen Feldern um die Trägermitte, im Vergleiche zu letzteren ein etwas geringerer Materialverbrauch in Betracht kommen. Der ästhetische Gesichtspunkt macht sich z.B. geltend, wenn bei einer Brücke Träger verschiedener Spannweiten und Höhen aufeinander folgen (Fig. 5). Vgl. Ellipsenträger.

Die ersten Halbparabelträger wurden 1852 von Brunnel bei der Eisenbahnbrücke über den Wye bei Chepstow angewandt [1] (Spannweite 92,96 m, Obergurt schwach gekrümmt), die größte Spannweite von Halbparabelträgern, 154,40 m, besitzt die Eisenbahnbrücke über den Leck bei Kuilenburg [2], [3], bei der 1905 dem Verkehr übergebenen Havelbrücke bei Brandenburg [9] kam erstmals das in Fig. 4 angedeutete Fachwerksystem für Hauptträger zur Verwendung. Wird der Halbparabelträger als Ständerfachwerk (Fachwerk. mit Vertikalen, vgl. Bd. 3, S. 534) angeordnet, und bezeichnen n, h, h0 die gewünschte Felderzahl, Trägerhöhe und Endhöhe, so hat man die Länge einer beliebigen Vertikale m (Fig. 6):


Halbparabelträger [1]

worin bei geradem n f = h – h0, bei ungeradem n f = (h – h0) n2/n2 – 1. Nachdem die Form festgestellt ist, können die Beanspruchungen nach den für Fachwerke mit beliebigen Gurtungen gültigen Beziehungen berechnet werden (s. Balkenfachwerke, Fachwerke mehrfachen Systems, [757] Fachwerke, statisch bestimmte). Beispiele der Berechnung für gleichmäßig verteilte bewegte Lall und bewegte Radlastzüge bei einfachem System mit und ohne Gegendiagonalen [7], B. 68, 69, bei doppeltem System mit gekreuzten Diagonalen [7], B. 109, 110.


Literatur: [1] Culmann, Der Bau eiserner Brücken in England und Amerika, Allg. Bauztg. 1852, S. 167, 185. – [2] Quant, De Sporwegbrug te Kuilenburg, Amlterdam 1867. – [3] Rziha, Eisenbahnunter- und -oberbau, II, Wien 1877, S. 5, 211, 376, 408. – [4] Winkler, Theorie der Brücken, II. Theorie der gegliederten Balkenträger, Wien 1881, S. 159. – [5] Rada, Der Bau des Trisanaviadukts (der Arlbergbahn, Spannweite 119,96 m), Zentralbl. d. Bauverwalt. 1884, S. 93. – [6] Weyrauch, Theorie der statisch bestimmten Träger für Brücken und Dächer, Leipzig 1887, S. 65, 131, 265, 334. – [7] Ders., Beispiele und Aufgaben zur Berechnung der statisch bestimmten Träger u.s.w., Leipzig 1888, S. 290, 294, 395, 481, 483 u.s.w. – [8] Müller-Breslau, Die graphische Statik der Baukonstruktionen, I, Leipzig 1901, S. 309. – [9] Bernhard, Die Eisenbahnbrücke über die Havel bei Brandenburg, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1905, S. 1657. – Weitere Literatur s. unter den obenerwähnten Stichworten.

Weyrauch.

Fig. 1., Fig. 2.
Fig. 1., Fig. 2.
Fig. 3., Fig. 4.
Fig. 3., Fig. 4.
Fig. 5., Fig. 6.
Fig. 5., Fig. 6.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 4 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 757-758.
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