Hereintreibearbeit

[48] Hereintreibearbeit oder Keilarbeit, eine der bergmännischen Gewinnungsarbeiten (s.d.), wird selbständig in zerklüftetem (gebrächem) Gebirge angewendet, außerdem als Nacharbeit bei der Keilhauenarbeit (s.d.) zum Loslösen der durch Schrämen und Schlitzen frei gemachten Massen. Der letztere Fall ist wichtig für solche Steinkohlengruben, in denen wegen der Entwicklung von Schlagwettern und Kohlenstaub die Schießarbeit verboten oder nur unter Beobachtung von Sicherheitsmaßregeln gestattet ist (s. Wetter) [1].

In klüftigem Gebirge werden Keile mittels schwerer, langgestielter Hämmer (Treibefäustel) in die vorhandenen Risse hineingetrieben und hierdurch Stücke des Gesteins losgesprengt. Haben die Klüfte einen regelmäßigen Verlauf, etwa wie die Schichtung oder Schieferung, so sind schlanke Flachkeile von rechteckigem Querschnitt, in eine stumpfe Schneide auslaufend, zweckentsprechend; bei unregelmäßiger Zerklüftung werden Spitzkeile (auch Fimmel genannt) von quadratischem Querschnitt, in eine vierseitige Spitze auslaufend, verwendet. – Im Steinbruchbetrieb wird die Keilarbeit zum Zerlegen größerer Blöcke in Werkstücke angewendet. In reihenweise angeordnete keilnutförmige Löcher werden Keile eingesetzt und sehr allmählich eingetrieben, bis ein Sprung in der beabsichtigten Richtung entsteht. Die Keilwirkung wird erhöht, wenn man zwischen Keil und Gestein starke Eisenbleche (Legeeisen, Zulagen) beiderseits einlegt; hierdurch wird der Druck auf größere Flächen gleichmäßig verteilt und auch verhindert, daß sich der Keil unter Zermalmung von Gesteinsmaterial in dieses eindrückt. Zuweilen wird statt Keil und Fäustel die Brechstange (s.d.) benutzt, indem man ihr kolbiges oder schneidenförmiges Ende in die Risse einzwängt und dann wuchtet. Um stärkere Wirkungen zu erzielen, wie sie in Kohlengruben erwünscht sind, werden mehrere Keile mit Zulagen, z.B. die patentierten Einsatzkeile Hardypick, angewendet (Fig. 1). In ein etwa 5–8 cm weites Bohrloch legt man zwei Zulagen z von halbkreisförmigem Querschnitt ein und treibt zwischen diese zwei Keile k. Diese letzteren sind so geformt, daß, wenn nötig, bequem noch ein weiterer Keil k1 dazwischen eingetrieben werden kann.[48]

Das Verbot der Schießarbeit in Schlagwettergruben hat zum Bau von Keilapparaten Veranlassung gegeben, bei denen die Keilwirkung durch mechanische Mittel erreicht wird. Der bekannteste dieser Apparate dürfte Levets Keil sein (Fig. 2) [1]; er besteht aus einem Zylinder C, in dem ein Doppelstulpkolben K durch den Druck einer Flüssigkeit (Oel, Glyzerin) rückwärts verschoben werden kann. Die vorn am Kolben befindliche Kolbenstange s geht in ihrer Verlängerung in einen Keil k über. Dieser wird nebst Zulagen z, deren Form aus den Schnitten ersichtlich ist, in ein 8–10 cm weites Bohrloch eingebracht, nachdem die zu lösende Masse durch Keilhauenarbeit frei gemacht wurde. Mittels des vorderen Zylinderdeckels d stützt sich der Apparat gegen die hintere Fläche der Zulagen, so daß deren Herausziehen aus dem Bohrloche verhindert wird. Am unteren Teile des Zylinders befindet sich in einem Behälter eine kleine hydraulische Pumpe P, welche Flüssigkeit vor den Kolben drückt, dessen Bewegung nach rückwärts bewirkt und den Keil zwischen die Zulagen zieht. Die hinter dem Kolben befindliche Flüssigkeit kann durch die Oeffnung o in den Saugraum der Preßpumpe entweichen. Um nach Vollendung des Hereintreibens den Arbeitskolben K zu entlasten, verbindet ein enger Kanal den vorderen Zylinderraum mit dem Saugräume der hydraulischen Pumpe; während der Arbeit ist er durch eine Verschlußschraube abgesperrt. Der Apparat ist zweckentsprechend zu unterstützen, da er mit den abgeteilten Massen herabstürzen würde.

Zeitraubend ist die Herstellung der für die Einführung der Zulagen und des Keiles nötigen weiten Bohrlöcher. Der ebenfalls durch hydraulischen Druck betätigte Kohlenbrechapparat Walcher [2] dürfte wenig in Aufnahme gekommen sein.

Mit der von Tonge in Bolton angegebenen hydraulischen Preßvorrichtung (hydraulic mining cartridge) sind auf englischen Kohlengruben nennenswerte Erfolge erzielt worden [3]. Die Kosten waren denjenigen bei Anwendung der Schießarbeit gleich, doch erhöhte sich der Stückkohlenfall um 10–25%. Auch dieser Apparat wird so verwendet, daß die Kohle zunächst unterschrämt wird, und daß am Hangenden etwa 80 mm weite Löcher gebohrt werden, in denen der Druck zur Wirkung gelangt. Die Vorrichtung (Fig. 3) besteht aus dem Preßzylinder C von etwa 50 cm Länge und 75 mm Durchmesser; in demselben sind acht kleine doppelte Preßkolben a und b (Fig. 4) so angeordnet, daß der Druck unmittelbar auf eine Zulage d und eine tunlichst große Fläche der Kohle ausgeübt wird. Die Preßpumpe P, welche mittels Verbindungsrohr r mit dem Preßzylinder verbunden ist, wird mittels Handhebel betätigt, der angehängte Wasserbehälter W ist durch Gummischläuche mit der Preßpumpe verbunden. Durch Oeffnen des Hahnes g können die Druckkolben wieder entlastet werden. Mit dem Apparat soll ein Gesamtdruck von 60 t oder von 500 kg auf 1 qcm ausgeübt werden. Auch hangende gebräche Gesteinsbänke und das Liegende in den Förderstrecken werden mit dem Apparat hereingenommen. – Namentlich in Belgien wird die Keilarbeit mittels der Bohrmaschine Dubois und François (auch Bosseyeuse genannt) ausgeführt. Dieselbe kann zunächst zur Herstellung des Schrames, dann der Bohrlöcher und endlich nach Vertauschung des Bohrers gegen einen Stahlklotz von 30–40 kg Gewicht auch zum Eintreiben des Keiles zwischen die in das Bohrloch gebrachten Zulagen benutzt werden [4].


Literatur: [1] Zeitschr. f. d. Berg-, Hütten- u. Salinenwesen im preuß. Staate, Bd. 30, 1882, S. 230. – [2] Oesterr. Zeitschr. f. Berg- u. Hüttenwesen, Wien 1886, S. 283, und 1887, S. 167. – [3] Essener »Glückauf« 1905, S. 989, und 1906, S. 953; Zeitschr. f. d. Berg-, Hütten- u. Salinenwesen im preuß. Staate, Bd. 54, 1906, S. 352; Guttmann, Handbuch der Sprengarbeit, 2. Aufl., 1906, S. 18. – [4] Essener »Glückauf« 1895, S. 231.

Treptow.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 5 Stuttgart, Leipzig 1907., S. 48-49.
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