Tag [2]

[412] Tag nennt der Bergmann die Erdoberfläche, daher bedeutet am Tage und über Tage s.v.w. auf der Erdoberfläche, unter Tage s.v.w. in der Grube.

Tageanlagen oder Tagegebäude sind die zu einem Bergbaubetriebe gehörigen Einrichtungen an der Oberfläche. Eine Tagestrecke führt von der Oberfläche abwärts geneigt in die Tiefe, indem sie gewöhnlich der Lagerstätte folgt (vgl. Stolln). – Tagebau ist eine häufig angewendete bergmännische Abbauweise, durch welche an der Oberfläche liegende nutzbare Mineralien (oberflächlicher Tagebau oder Gräberei, z.B. auf Torf und Goldseifen), oder solche Lagerstätten gewonnen werden, die nur wenig durch Deckgebirge überlagert sind (Aufdeck-, Abraumarbeit, z.B. auf Braunkohlenflöze). Auch am Ausgehenden von Lagerstätten, die später in der Hauptsache durch Grubenbetrieb gewonnen werden, beginnt der Betrieb häufig als Tagebau. Der Steinbruchbetrieb hat viele Aehnlichkeit mit dem Tagebau; Abweichungen in der Technik (s. weiter unten) kommen dort vor, wo große Werkstücke gewonnen werden. – Der oberflächliche Tagebau ist die einfachste Betriebsweise. Am bequemsten ist der Betrieb am Talgehänge, wo er steinbruchartig erfolgt, z.B. die Eisensteingewinnung zu Eisenerz in Steiermark. Dort verlaufen am Gehänge ungefähr wagerecht (Fig. 1) etwa 40 Abbauetagen von je 10 m Höhe, die Förderung auf jeder derselben findet mittels Wagen auf Schienengleisen statt, zur Vereinigung der Massen auf einzelne Hauptfohlen dienen Bremsschächte Br und Stölln St (Fig. 1) oder geneigte Ebenen mit Brems- oder Haspelbetrieb (s. Bremsbergförderung und Haspelförderung, Bd. 2, S. 257). Bei Betrieben, welche bezüglich der Abfuhr ungünstig am Steilgehänge liegen, werden in neuerer Zeit zur Beförderung ins Tal Hochseilbahnen verwendet (vgl. Seilbahnen, S. 47). Die Abfuhr von Bergen (vgl. Bd. 1, 5. 692) erfolgt auf wagerechten Bahnen, die so weit fortgeführt werden müssen, daß durch die Bergemassen nicht Teile der Ablagerung verstürzt werden. In ebener Gegend, wo sich der Tagebau von der Oberfläche in die Tiefe erstreckt, sind Anlagen zur Aufwärtsförderung vorzusehen, und zwar Aufzüge, geneigte Ebenen oder Schächte, welche mit dem Tagebau durch Strecken verbunden sind. Die zusitzenden Wasser sind durch einfache Pumpen zu heben. – Bei dem Abbau solcher Lagerstätten, die unter Deckgebirge liegen, muß dieses entfernt (abgedeckt, abgeräumt) werden; beim Beginn eines Tagebaues wird der erste Abraum seitwärts aufgestürzt, später wird derselbe zur Wiederausfüllung der abgebauten Räume verwendet. Hierdurch wird gegenüber dem Grubenbau zwar die Bewegung größerer Massen notwendig; man hat jedoch den Vorteil, die Lagerstätte fast ohne Verluste abbauen zu können, was namentlich bei sehr mächtigen Lagerstätten stark ins Gewicht fällt; ferner erspart man den Grubenausbau, und die Beaufsichtigung ist eine sehr leichte, während des Tages kann ohne künstliche Beleuchtung gearbeitet werden. Für umfangreichere Abraumarbeiten werden vorteilhaft Trockenbagger (Bd. 1, S. 462) verwendet. Bei größerer Mächtigkeit der Lagerstätte wird, sofern die Massen festeren Zusammenhang haben, entweder, wie oben beschrieben, in Etagen (stroßweise) abgebaut (Fig. 1), oder es wird, wie z.B. bei der böhmischen Braunkohle und auch in den[412] Elbsandsteinbrüchen und den Rüdersdorfer Kalksteinbrüchen, der Abbau firstweise geführt (Fig. 2 und 3), Ein Teil der Lagerstätte, welcher sich durch vorhandene Klüfte bereits aus dem Zusammenhange gelöst hat oder dessen Abtrennung durch Führung eines Schlitzes L mittels Keilhauenarbeit vervollständigt wurde, wird mit sich rechtwinklig kreuzenden Strecken S unterfahren, so daß nur noch eine entsprechende Zahl Pfeiler übrigbleibt, diese werden allmählich schwächer gemacht und sodann gleichzeitig durch Schüsse gesprengt. Die unterhöhlten Massen stürzen darauf nieder und werden so weit zertrümmert, daß die Abforderung (beim Sandsteinbruchbetrieb die Zerlegung in Werkstücke) leicht erfolgen kann. Für erdige Massen, z.B. Braunkohle, eignet sich bei größerer Mächtigkeit der Schurrbau. Diesem Verfahren ist es eigentümlich, daß das Abrollen des größten Teiles der gewonnenen Kohlen in die Fördergefäße selbsttätig erfolgt, die Arbeit des Verladens also wegfällt. Nur die Kohle von den untersten 1,5–2,0 m des Flözes muß in die Hunde geschaufelt werden. Als Beispiel sei hier der Abbau mittels Trichterschurren (Fig. 4) beschrieben. In Abständen von etwa 10 m werden kurze Strecken in den Abbaustoß getrieben und mit Holz ausgebaut. Dann bohrt man von jeder Strecke aus ein etwa 30 cm weites Bohrloch senkrecht aufwärts bis an die Oberfläche des abgeräumten Flözes. Beim Lösen der erdigen Kohle mittels der Keilhaue wird die Oberfläche jedes Abbaues trichterförmig gehalten, die Kohle zerfällt in kleine Stücke, rollt zum Bohrloche und durch dieses in den daruntergestellten Hund, der rechtzeitig durch einen leeren ersetzt wird. – Ueber den Abbau von Seifen mittels Wasser vgl. Gewinnung mittels Wasser, Bd. 4, S. 497. – Dort, wo im Steinbruchbetrieb Werkstücke gewonnen werden sollen, kommen außer dem Unterhöhlen noch das Abbänken und das Ausschroten zur Anwendung, und zwar das erstere dort, wo eine natürliche Trennung des Gesteins in stärkere Schichten (Bänke) vorhanden ist, das letztere da, wo ganzes Gestein ansteht. Das Abhäuten erfolgt dadurch, daß den Abmessungen des Werkstückes entsprechend Reihen von Löchern ausgemeißelt und in diese stählerne Keile eingetrieben werden. Hierdurch entstehen Risse bis auf die nächste Schichtenfuge, so daß das Werkstück der weiteren Bearbeitung übergeben werden kann. Das Ausschroten, welches in weicheren Gesteinen zur Trennung aus dem Ganzen angewendet wird, besteht darin, daß das Werkstück durch Aushauen schmaler Schlitze (Schrote) mittels der Keilhaue an den Seiten und hinten freigelegt und dann auf der Unterseite durch eine Reihe von Keilen abgehoben wird. Zur Gewinnung besonders wertvoller Gesteine, z.B. der Marmorarten, benutzt man zum Schroten Maschinen.

Treptow.

Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 412-413.
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