Tag [1]

[281] Tag (lat. Diës), im gewöhnlichen Sinn: die Zeit des Verweilens der Sonne über dem Horizont, in der Astronomie die Zeit zwischen aufeinander folgenden Meridiandurchgängen eines Gestirns, bei Fixsternen heißt diese Zeit Sterntag, bei der Sonne Sonnentag. Die Dauer des Sterntags ist gleich der Rotationsdauer der Erde und so gut wie unveränderlich, er beginnt im Augenblick der obern Kulmination des Frühlingspunktes und wird in 24 Stunden zu 60 Minuten zu 60 Sekunden geteilt; Zeitangaben in diesem Maß nennt man Sternzeit. Obwohl die Natur in der Rotation der Erde um ihre Achse das gleichförmigste Zeitmaß darbietet, so rechnet man doch aus praktischen Gründen im bürgerlichen Leben nach Sonnentagen. Wahrer Sonnentag ist die Zeit zwischen zwei aufeinander folgenden obern (mittägigen) Kulminationen der Sonne. Da aber dieser Zeitraum infolge der Ungleichförmigkeit der Bewegung der Sonne am Fixsternhimmel im Laufe des Jahres nicht unbeträchtlichen Veränderungen seiner Dauer unterliegt (vgl. Sonnenzeit), so benutzt man den jährlichen Mittelwert desselben unter dem Namen mittlerer T. (bürgerlicher T.). Derselbe beträgt 24 Stunden 3 Min. 56,6 Sek. Sternzeit und wird ebenfalls in 24 gleiche Stunden zu 60 Minuten zu 60 Sekunden eingeteilt. Die in diesem Maß ausgedrückte Zeit, die mittlere Zeit, wird von unsern mechanischen Uhren angegeben. Die christlichen Völker beginnen den T. mit Mitternacht und zählen während desselben ziemlich allgemein zweimal 12 Stunden. Die Astronomen aber fangen den T. erst mit dem Mittag an und zählen die Stunden bis 24. Es bedeutet also die astronomische Angabe »Juli 23, 19h12m« soviel wie »7 Uhr 12 Min. vormittags am 24. Juli « (h = hora, Uhr; m = Minuten). Unter natürlichen T. versteht man die Zeit des Verweilens[281] der Sonne über dem Horizont. Am Äquator beträgt er immer 12 Stunden; an andern Punkten der Erde ist dies nur im Frühlings- und im Herbstanfang, wenn die Sonne im Äquator steht, der Fall. Sobald die Sonne sich nördlich über den Äquator erhebt, werden auf der nördlichen Hemisphäre der Erde die Tage immer länger, und für die Orte zwischen Äquator und Polarkreis (661/2° Br.) erreicht der T. seine größte Dauer, wenn die Sonne im Wendekreis des Krebses steht (Sommersolstitium). Von da nimmt die Tageslänge wieder ab, erreicht den Wert von 12 Stunden im Herbstanfang und den kleinsten Wert (24 Stunden weniger des längsten Tages), wenn die Sonne im Wendekreis des Steinbockes steht (Wintersolstitium), worauf er wieder wächst. Für die südliche Erdhalbkugel dagegen tritt der längste T. ein, wenn die Sonne im Wendekreis des Steinbockes, der kürzeste, wenn sie im Wendekreis des Krebses steht. Die Größe t des halben Tagbogens für den längsten T. in der Breite φ erhält man aus der Formel cost = -tgφ . tg (23°27,3'); je 15 Bogengrade entsprechen einer Stunde. Es ergeben sich auf diese Weise folgende Werte:

Tabelle

Für den Polarkreis beträgt der längste T. 24 Stunden; für die dem Pol noch näher liegenden Orte aber geht schon von der Sommersonnenwende die Sonne nicht mehr unter, es ist dann immerwährender T., dessen Dauer mit der Annäherung an den Pol zunimmt und für diesen selbst ein halbes Jahr beträgt. Dem immerwährenden T. entspricht ein halbes Jahr später die gleich lange immerwährende Nacht. Der immerwährende T. währt so lange. als die Poldistanz (90° weniger der Deklination) der Sonne kleiner ist als die geographische Breite; seine Dauer ist

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Bei verschiedenen orientalischen Völkern, auch den Israeliten, ferner bei Griechen und Römern wurde im Altertum der natürliche T. und ebenso die Nacht in 12 gleich lange Stunden geteilt, deren Dauer in den verschiedenen Jahreszeiten verschieden war (horae temporales bei den Römern, während die immer gleich langen horae aequinoctiales hießen). Vgl. Bilfinger, Der bürgerliche T. (Stuttg. 1888). – T. heißt auch eine im voraus bestimmte Versammlung, z. B. Landtag, Reichstag, Fürstentag etc.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 281-282.
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