Jahreszeiten

[151] Jahreszeiten, die vier Zeitabschnitte Frühling, Sommer, Herbst und Winter, in die das tropische Jahr nach der verschiedenen Stellung der Erde auf ihrer Bahn um die Sonne geteilt wird. Man unterscheidet die astronomischen und die meteorologischen J. Über die astronomischen s. Erde, S. 908. Infolge der verschiedenen Tageslängen und Mittagshöhen der Sonne wird die Erdoberfläche durch die Sonnenstrahlen im Laufe der J. sehr verschieden stark erwärmt. Weil aber die größte Kälte nicht zur Zeit der kürzesten Tage und die größte Wärme nicht zur Zeit der längsten Tage eintritt, so pflegt man die meteorologischen J., die auch für das bürgerliche Leben eingeführt sind, zu andern Zeiten als die astronomischen J. zu rechnen. In der nördlich gemäßigten Zone fällt die größte Kälte auf Mitte Januar, von wo an die Temperatur bis Mitte Juli steigt und dann wieder bis Mitte Januar abnimmt. Die Änderung der Temperatur erfolgt am langsamsten zur Zeit ihres Maximums und Minimums, am schnellsten zur Zeit der Äquinoktien. Wegen dieser Temperaturverhältnisse rechnet man die meteorologischen J. so, daß man die drei kältesten Monate Dezember, Januar, Februar als Winter, März, April, Mai als Frühling, die drei wärmsten, Juni, Juli, August, als Sommer und September, Oktober, November als Herbst bezeichnet. In höhern und niedrigern Breiten gestaltet sich der Charakter der J. anders wie in den gemäßigten Zonen, und zwar ist in höhern Breiten die Dauer des kürzesten Tages kürzer und die Mittagshöhe der Sonne kleiner als in mittlern Breiten, und daher ist hier die Kälte des Winters aus beiden Gründen größer, während zur Zeit des längsten Tages zwar auch die Mittagshöhe der Sonne kleiner ist, aber die infolgedessen eintretende geringere Erwärmung z. T. dadurch ausgeglichen wird, daß die Tage länger sind. Daher sind die höhern Breiten durch lange und kalte Winter sowie durch kurze und verhältnismäßig warme Sommer ausgezeichnet. Der Frühling und Herbst ist kürzer als bei uns, und der Übergang vom Sommer zum Winter und umgekehrt erfolgt rascher und mehr sprungweise. In niedrigern Breiten, namentlich zwischen den Wendekreisen, verschwindet der Charakter unsrer J. immer mehr und mehr. Am Äquator geht die Sonne zweimal im Jahr in Abständen von sechs Monaten durch den Zenit; ihre niedrigste Mittagshöhe beträgt 66,5°, und weil hier während des ganzen[151] Jahres die Tageslänge 12 Stunden beträgt, so sind die Temperaturschwankungen überhaupt nur unbedeutend. Vom Äquator nach den Wendekreisen hin tritt der Charakter der J., wie er sich in den gemäßigten Zonen zeigt, immer mehr und mehr hervor. Vgl. Lufttemperatur und Klima. Wo bestimmte Regenzeiten ausgebildet sind, spricht man auch wohl von trockner und nasser Jahreszeit. Mehrfach sind Versuche gemacht worden, J. nach der Entwickelung der Vegetation (phänologische J.) aufzustellen. Ihne unterscheidet folgende J.: Vorfrühling, Erwachen der Vegetation, Aufblühen von Gehölzen, deren Blüten sich vor den Blättern entfalten, und bei denen zwischen Aufblühen und Belaubung eine Pause liegt. Erstfrühling, Gehölze blühen, bei denen Blüten und erste Blätter gleichzeitig erscheinen; zwischen Aufblühen und Belaubung ist keine Pause; die Belaubung der Bäume beginnt. Vollfrühling, Aufblühen von Gehölzen, deren Blüten nach den ersten Blättern sich entwickeln; der Laubwald wird vollständig grün. Der Frühsommer beginnt mit dem Aufblühen des Getreides. Hochsommer, Beerenobst und Getreide reisen, letzteres wird geerntet. Frühherbst, die Ausbildung der Früchte kommt zum Abschluß. Herbst, Eintritt der allgemeinen Laubverfärbung. Winter, die Ruheperiode bis zum Beginn des Vorfrühlings.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 151-152.
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