Anämīe

[479] Anämīe (griech.), »Blutlosigkeit«, im gewöhnlichen Sinn Blutarmut (Oligämie), ein vorübergehender oder dauernder Zustand von krankhaft vermindertem Blutgehalt einzelner Organe oder des ganzen Körpers. Erst wenn der Blutmangel so auffallend ist, daß man ihn sofort wahrnimmt, pflegt man von A. zu sprechen. Die allgemeine A. teilt man ein in primäre und sekundäre; zu der sekundären gehört die A. nach mangelhafter Nahrungs- und Luftzufuhr, bei Frauen nach langem Stillen der Kinder, nach Blutverlusten und bei konsumierenden Krankheiten jeder Art, namentlich pflegen Nierenkranke und Krebskranke öfter stark anämisch zu sein. Der Blutbefund zeigt eine gleichmäßige Abnahme des Hämoglobingehalts und der Zahl der roten Blutkörperchen, nur nach Blutungen kann derselbe dem bei Bleichsucht gleich sein. Die Beschwerden sind, soweit sie nicht durch das Grundleiden verdeckt werden, auf die mangelhafte Blutversorgung der Organe zurückzuführen, die wesentlichsten sind Mattigkeit, Schlaffheit im Denken und Handeln, Neigung zu Kopfschmerz, Daniederliegen der Darmtätigkeit, Appetitlosigkeit, Ohrensausen, Schwindel, Flimmern vor den Augen, Kurzatmigkeit bei Anstrengungen, nervöse Schwäche und Reizbarkeit. Die Behandlung hat sich gegen das Grundleiden zu richten, außerdem ist für kräftige Ernährung, Besserung der hygienischen Verhältnisse, Körperpflege, Vermeidung von Überanstrengung etc. zu sorgen. Unter Umständen gibt der Arzt Chinin, Eisenmittel etc. Zu der primären A. rechnet man die essentielle (perniziöse) A. und die Bleichsucht. Erstere ist eine schwere Bluterkrankung, die meist tödlich endigt. Der Blutbefund ergibt eine beträchtliche Verminderung der Zahl der roten Blutkörperchen, außerdem pflegen die roten Blutkörperchen in der Form verändert zu sein, es finden sich sehr große und sehr kleine, vielfach auch kernhaltige. Der Hämoglobingehalt des einzelnen Körperchens ist dagegen nicht vermindert. Die Kranken klagen über Schwindel, Ohrensausen, Kopfschmerzen, Flimmern vor den Augen, sie werden bei körperlichen Anstrengungen leicht kurzatmig, häufig sind Blutungen in die Haut, in die Netzhaut, zu manchen Fällen treten Störungen von seiten des Rückenmarks, fast ebenso wie bei Rückenmarksschwindsucht, auf. Über die Ursache der primären A. weiß man wenig. In einer Reihe von Fällen, die man neuerdings zu der sekundären A. zu stellen pflegt, wurde ein Eingeweidewurm, das Anchylostomum duodenale (s. d.), als Erreger gefunden. Die Therapie besteht in sorgfältiger [479] Ernährung, unterstützt durch Eisen- und Arsenpräparate, in verzweifelten Fällen macht man auch Bluttransfusion. über Bleichsucht s. d.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 479-480.
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