Argot

[752] Argot (franz., spr. argo), die Gaunersprache in Frankreich, der in Italien das furbesco, in Spanien die germania, in Deutschland das Rotwelsch (s. d.) entspricht. Die Pariser gueux (Gauner und Bettler) wurden als cour des miracles (Hof der Wunder) zusammengefaßt, weil, wenn sie sich unbeobachtet wußten,[752] die Lahmen gehen und die Blinden sehen konnten. Sie wurden in vier Gruppen: Égypte, Bohème, A. und Galilée, geteilt. Der Ausdruck Galilée kommt in etwas anderm Sinne schon im Mittelalter vor, wo galilea für Galerie gebraucht wurde. Später faßte man Galilée als Namen des Landes und bildete danach die übrigen, von denen die beiden ersten zunächst auf die Zigeuner angewendet waren, der dritte (Argot) aus Arabie entstellt ist. Viele Argotwörter lassen sich nicht erklären. Manche sind dem Italienischen (mèche halb, von mezzo) oder dem Deutschen (chelinguer stinken, schloffer schlafen) entlehnt. Die meisten beruhen auf französischen Wörtern, die in ihrer Bedeutung (boule Kugel, poire Birne, beide im Sinne von Kopf) oder in ihrer Form unkenntlich gemacht sind. Dahin gehört frusquin, frusque oder fripe aus froc (eigentlich Rock), louffe aus fou Narr, Saint-Lago aus Saint-Lazare (Gefängnis in Paris) wie Argot aus Arabie, Pantruche (von der Vorstadt Pantin) für Paris, Arguche für Argot. Manche Argotwörter sind in die gebildete Sprache eingedrungen (lorgue für borgue, chiquenaude, fripier, fripon), die in neuester Zeit immer mehr Anleihen beim A. macht. Das älteste A. findet sich um 1200 in Jean Bodels Spiel vom heil. Nikolaus. Rabelais hat aus dem A. geschöpft, Villon darin gedichtet. Romanschreiber, wie Balzac, Sue, Zola, lassen einzelne Personen darin reden. Vgl. Franc. Michel, Etude de philologie comparée für l'argot (Par. 1856); L. Rigaud, Dictionnaire d'argot moderne (das. 1881); Delvau, Dictionnaire de la langue verte (3. Aufl., das. 1889); Larchey, Dictionnaire historique, étymologique et anecdotique de l'argot parisien (10. Aufl., das. 1887; Supplement 1889); Villatte, Parisismen (5. Aufl., Berl. 1899); Timmermans, L'argot parisien (Par. 1892); G. Delefalle, Dictionnaire argot-français et français-argot (das. 1896); A. Bruant, L'Argot an XX. siècle. Dictionnaire français-argot (das. 1901); Schwob in den »Mémoires de la Société de linguistique de Paris«, Bd. 7; Yve-Plessis, Bibliographie de l'argot (Par. 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 752-753.
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