Delyannis

[622] Delyannis (Deligiannis), Theodor P., griech. Staatsmann, geb. 1826 zu Kalavryta im Peloponnes, studierte in Athen die Rechte und rückte im praktischen Staatsdienst schnell auf. Dem König Otto befreundet, mißbilligte er als Unterstaatssekretär die Angriffe, in deren Folge der König abdankte. 1867, während des Aufstandes in Kreta, war er Gesandter in Paris und seitdem wiederholt Minister des Äußern, Kultus und der Finanzen. In dem »ökumenischen« Ministerium von 1877 stimmte er für den Krieg. Als Minister des Äußern neben Komunduros ward er erster Bevollmächtigter bei dem Berliner Kongreß. Im April 1885 trat er an die Spitze eines neuen Ministeriums, das die auf der Balkanhalbinsel ausgebrochenen Unruhen zu Eroberungen benutzen wollte und daher kostspielige Rüstungen veranstaltete; doch zwangen die Mächte durch eine Flottenintervention Griechenland zur Ruhe, worauf D. 9. Mai 1886 seine Entlassung nahm. Nach dem Sturz von Trikupis im Oktober 1890 wieder Ministerpräsident, wurde er 29. Febr. 1892 vom König entlassen, weil er die notwendigen Finanzreformen nicht durchführen wollte. Nach dem Rücktritt von Trikupis übernahm D. 11. Juni 1895 wieder die Leitung des Ministeriums und die Finanzen, stürzte Griechenland sofort wieder in auswärtige Verwickelungen und unterstützte 1897 den Aufstand in Kreta. Zum offenen Krieg mit der Türkei allerdings nur wider Willen vom König bestimmt, wurde er nach der Niederlage des griechischen Heeres in Thessalien 29. April 1897 zum Rücktritt gezwungen. Er stürzte im Herbst 1897 seinen Nachfolger Rallis, wurde jedoch vom König mit der Bildung eines neuen Ministeriums erst nach dem Sturze von Zaimis Anfang Dezember 1902 beauftragt; außer dem Präsidium übernahm D. von neuem auch die Finanzen und Anfang April 1903 in Vertretung für den zurücktretenden Limpritis das Kriegsministerium, mußte aber schon Ende Juni 1903 einem Kabinett Theotokis Platz machen. – Sein Neffe Nikolaus D., Sohn seines Bruders Peter D., der Minister des Auswärtigen unter König Otto war, geb. 1844, war 1870–80 Geschäftsträger Griechenlands in Paris, darauf Gesandter in Belgrad u. 1886–92 Gesandter in Paris.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 622.
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