Demarkationslinie

[624] Demarkationslinie, Begrenzungslinie, neutrale Zone, eine durch Übereinkunft zwischen zwei Mächten oder kriegführenden Heeren bestimmte Linie, die von beiden Teilen nicht überschritten werden darf, kommt zumeist bei Waffenstillständen oder Friedensunterhandlungen in Anwendung, um für die Dauer der erstern oder bis zum wirklichen Friedensschluß jedem Zusammenstoß der beiderseitigen Heere vorzubeugen. Um diesen Zweck sicher zu erreichen, wird gewöhnlich für beide Teile je eine besondere Linie bezeichnet und das dazwischenliegende Gebiet für neutral erklärt; in der Regel folgt die D. soweit wie möglich natürlichen Terraingegenständen, Flüssen, Bächen, Wegen etc. In einem solchen Fall heißt im weitern Sinn auch dieser ganze trennende Raum die D. D. heißt auch soviel wie Grenzlinie, besonders wenn sie vorher streitige Grenzen bestimmt. Eine solche D. zwischen den portugiesischen und spanischen Entdeckungen bestimmte der 1494 zu Tordesillas zwischen Johann II. von Portugal und dem König Ferdinand von Kastilien geschlossene Vertrag, der eine nähere Bestimmung der vom Papst Alexander VI. am 6. Mai 1493 festgesetzten Linie enthielt, und wonach alles, was 370 Seemeilen östlich von den Inseln des Grünen Vorgebirges entdeckt werden würde, den Portugiesen, alles, was westlich hiervon, den Spaniern gehören sollte. Auch bei Abgrenzungen von Ländern nach Maßgabe der Nationalität pflegen Demarkationslinien gezogen zu werden, ebenso bei Gebietsabtretungen, die durch einen Krieg herbeigeführt wurden. So ist z. B. in den Friedenspräliminarien von Versailles vom 26. Febr. 1871, Art. 1, die D. genau bestimmt, indem Frankreich all seinen Rechten und Ansprüchen auf diejenigen Gebiete entsagte, die östlich von dieser Linie gelegen sind. Endlich grenzen Demarkationslinien auch die sogen. Interessensphären der Schutzgebiete ab, d. h. das von der Kolonialmacht noch nicht okkupierte, aber zur Besitzergreifung vorbehaltene Hinterland der Kolonien (vgl. Interessensphäre).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 624.
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