Erosion

[72] Erosion (lat., »Zernagung, Durchfressung«; hierzu Tafel »Erosion« mit Text), Auswaschung durch fließendes Wasser, im weitern Sinne auch Abtragung durch das Eis des Meeres und der Gletscher sowie durch den Wind. Das auf geneigter Fläche herabrinnende Wasser ist an und für sich nicht fähig, in festes Gestein mechanisch eine Furche einzuschneiden; dies wird erst möglich, wenn das Gestein durch die chemische und mechanische Wirkung der Atmosphärilien eine oberflächliche Zersetzung erfahren hat, oder wenn das Wasser seine harte Sandteilchen transportiert, mit denen das Gestein nach und nach abgeschliffen (s. Korrasion) oder, wie in den sogen. Strudellöchern, Riesentöpfen (s.d.), ausgehöhlt wird. Die Tätigkeit des rinnenden Wassers besteht hauptsächlich im Fortschaffen des durch die Verwitterung gelieferten losen Materials. Wird letzteres fortgeschwemmt, so wird die Neigung der Gehänge beständig verringert, und das Endresultat der Wirkung des Regens ist eine völlige Einebnung aller Gehänge. Die E. ist aber nicht allein an der Oberfläche, sondern auch in den unterirdischen Wasserläufen tätig (s. Erdfall, Schlotten). Das in die Gesteine eindringende Wasser wirkt lösend auf die Gesteine im ganzen oder auf gewisse Bestandteile derselben; seine Wirkungen sind abhängig von seinem Lösungsvermögen, seiner Menge und von der Löslichkeit der Gesteinselemente. Das Lösungsvermögen des Wassers wird durch die in geringer Menge darin gebundenen Gase, namentlich Sauerstoff und Kohlensäure, und durch etwa schon darin gelöste Mineralbestandteile modifiziert. So ist das Lösungsvermögen des Regenwassers im Winter und Frühjahr nicht dasselbe wie im Sommer und Herbst, weil der Gehalt an Ammoniumnitrat und -Nitrit mit der Jahreszeit wechselt; auch ist das Lösungsvermögen des gewöhnlich schon mit mineralischen Bestandteilen gesättigten Flußwassers geringer als das des Regen- und Quellwassers. Kein einziges Gestein ist absolut unlöslich, aber die Löslichkeit der Gesteinselemente ist sehr verschieden. Leicht lösliche Verbindungen, wie Steinsalz, sind der chemischen E. in hohem Grade zugänglich und deshalb in ältern Formationen auch nur dort in größern Massen erhalten, wo sie durch wasserdichte Lagen (Tone) gegen unterirdische E. geschützt waren. Auch Gips und Anhydrit können noch als leichter lösliche Gesteine gelten, und die unterirdische E. derartiger Massen kann gleichfalls für die Niveauveränderungen an der Oberfläche von Bedeutung werden (s. Höhlen[72] und Erdfall). Kalkstein (kohlensaurer Kalk), in destilliertem Wasser fast unlöslich, wird bei Gegenwart von freier Kohlensäure leicht in nicht unbeträchtlicher Menge aufgelöst, aber bei Verlust der Kohlensäure wieder abgesetzt. In den Mergelgesteinen, die neben kohlensaurem Kalk auch Sand und Ton enthalten, ist zwar fast nur der Kalk der chemischen E. unterworfen, aber wenn dieser ausgelaugt ist, so wird dadurch das Gefüge gelockert, und die mechanische E. hat nun ein viel leichteres Spiel. So geht die mechanische mit der chemischen E. Hand in Hand: einzelne leichter lösliche Bestandteile werden allmählich zersetzt, mehr oder weniger gelöst, das Gefüge wird gelockert, und die losen Teile bieten der mechanischen Gewalt der strömenden Gewässer bald nicht mehr genügenden Widerstand. Die E. an der Erdoberfläche wird auch durch den Temperaturwechsel der Atmosphäre unterstützt und dies um so mehr, je häufiger bei dem Gefrieren und der Volumvergrößerung des Wassers in den Spalten eine mechanische Kraftäußerung auf die Kohäsion einwirkt. Im allgemeinen wird demnach in den gemäßigten Zonen und auf Hochgebirgen in der Nähe der Schneegrenze durch Frost die E. am meisten befördert (vgl. auch Insolation). Weiteres über die E. s. in den Erläuterungen zur bei folgenden Tafel. Vgl. auch Tafel »Gangbildungen«, Fig. 3, und Tafel »Wüstenbildungen I u. II«. – In der Heilkunde versteht man unter E. einen Verlust des Epithels auf Schleimhäuten, wie er namentlich bei Katarrhen häufig vorkommt, während man einen derartigen Verlust der Epidermis (durch Stoß, Schlag etc.) gewöhnlich als Exkoriation (s. Hautabschürfung) unterscheidet. E. der Zähne, s. Zahnkrankheiten.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 72-73.
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