Feuchtersleben

[493] Feuchtersleben, Ernst, Freiherr von, Mediziner und Dichter, geb. 29. April 1806 in Wien, gest. daselbst 3. Sept. 1849, studierte seit 1825 in Wien, hielt seit 1844 an der Wiener Hochschule Vorträge zur Vorbildung psychischer Ärzte, wurde 1847 Vizedirektor der medizinisch-chirurgischen Studien und war 1848 kurze Zeit Unterstaatssekretär im Unterrichtsministerium. F. war nicht nur ein scharfsinniger Arzt, sondern auch ein Dichter von seinem ästhetischen Sinn und philosophischer Weltbildung und entfaltete auch eine reiche kritische Tätigkeit, die sich polemisch zur Literatur des »jungen Deutschland« stellte. Er schrieb: »Über das Hyppokratische erste Buch von der Diät« (Wien 1835); »Über die Gewißheit und Würde der Heilkunst« (das. 1839; neue Ausgabe u. d. T.: »Ärzte und Publikum«, 1848); »Lehrbuch der ärztlichen Seelenkunde« (das. 1845). Ungemeine Verbreitung fand das für das größere Publikum bestimmte Schriftchen »Zur Diätetik der Seele« (Wien 1838, 46. Aufl. 1896). Er lehrte im Gegensatz zu Hufelands »Makrobiotik«, d. h. der Kunst, das Leben zu verlängern, eine »Kalobiotik«, d. h. die Kunst, sich die Harmonie des Lebens zu bewahren, im Sinne Goethes, für den er auch sonst bei jeder Gelegenheit eintrat. Wertvoll sind auch seine »Beiträge zur Literatur-, Kunst- und Lebenstheorie« (Wien 1837–41, 2 Bde.) und die mit Geschmack ausgeführte Anthologie »Geist der deutschen Klassiker« (3. Aufl., das. 1866). Seine »Gedichte« erschienen Stuttgart 1836 (darin das von Mendelssohn-Bartholdy vertonte und zum Volkslied gewordene: »Es ist bestimmt in Gottes Rat«). Seine »Sämtlichen Werke« (mit Ausschluß der rein medizinischen) wurden von Fr. Hebbel (Wien 1851–53, 7 Bde.) mit Biographie herausgegeben. Vgl. M. Necker, Ernst v. F., der Freund Grillparzers, im »Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft«, Bd. 3 (Wien 1893).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 493.
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