Jôgin

[266] Jôgin (Yôgin), Anhänger des ind. Jogasystems, s. Indische Philosophie. Im Abendland erregte am meisten Aufsehen das Verfahren der Jogins, sich durch Autohypnose in einen starrkrampfartigen Zustand (Scheintod) zu versetzen, sich dann für längere Zeit lebendig begraben zu lassen, um nachher von ihren Schülern wieder ins Leben zurückgerufen zu werden. Wurde auch zuweilen Gaukelei benutzt, um diese Leistungen nachzuahmen (wie z. B. bei den beiden abwechselnd in einem Glassarge schlafenden Indern, die 1896 auf der Pester Jubiläums-Ausstellung als Betrüger entlarvt wurden), so liegen doch eine Anzahl wohlbeglaubigter Beobachtungen aus dem 17. Jahrh. bis zur Neuzeit vor. Wie Kuhn wahrscheinlich gemacht hat, beziehen sich die merkwürdigsten dieser Berichte aus den 20 er und 30 er Jahren des vorigen Jahrhunderts alle auf denselben J., Haridâs, der diese Praxis zu großer Vollkommenheit ausgebildet hatte. Der als Leibarzt am Hofe des Maharadscha in Lahor lebende Österreicher Honigberger hat die ausführlichsten Berichte nebst Porträt des J. veröffentlicht, wonach derselbe sich zunächst das Zungenbändchen löste und die Zunge nach alten Vorschriften so trainiert hat, um sich damit den Schlund verstopfen und das Atmen verhindern zu können. Vorher reinigte er seine Eingeweide durch allerlei Prozeduren und zog zuletzt nur reines Wasser durch ein Röhrchen in den Darm ein, dann wurden alle Körperöffnungen mit Wachsstöpseln geschlossen und der totenähnliche Körper, in Leinen gehüllt, in eine Art Kiste oder Sarg gelegt, die dann wohlverschlossen in kühlen unterirdischen Räumen aufgestellt wurde. So brachte er in vier Fällen je 3,10,30,40 Tage im Grabe zu. In einem Fall wurde über dem Sarge Getreide gesät, um die Unberührtheit des Bodens zu beweisen. Seine Schüler brachten ihn aber jedesmal zum Leben zurück. indem sie ihn nach abgelaufener Frist aus dem Sarge nahmen, mit warmem Wasser begossen, einen heißen Weizenmehlteich auf seinen Scheitel legten, den Mund gewaltsam öffneten, die Zunge hervorzogen und zerlassene Butter auf die Augenlider und Zunge brachten. Nach der Ansicht von Braid, der zuerst die Glaubwürdigkeit dieser Berichte betonte, handelt es sich um einen scheintodartigen Zustand mit minimaler Atmung, der durch Selbsthypnotisierung eingeleitet wird, wobei nach Ansicht Kuhns ein Hanfpräparat (mit Bilsenkraut und Stechapfel) mitwirken soll. Vgl. Braid, Observations on trance or human hybernation (Lond. 1850); Honigberger, Früchte aus dem Morgenlande (Wien 1851); Preyer, Die Entdeckung des Hypnotismus (Berl. 1881); Garbe in seiner Darstellung des Jogasystems und in »Westermanns Monatsheften« (September 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 266.
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