Kanonĭker

[567] Kanonĭker (lat. Canonĭci), ursprünglich diejenigen Priester, die nach einer gewissen Regel (Kanon) zusammenlebten. Nach dem Vorbilde des Augustin und des Eusebius von Vercellä (gest. 371) wurde die vita canonica (so genannt, weil sie sich nach den i Ausspruch des Kanons, Apostelgesch. 4,32, richtete), d. h. die klösterliche Vereinigung der Kleriker (Kanoniker), durch die Regel Chrodegangs (s. d.) von Metz für seine Diözese angeordnet und durch das Aachener Konzil von 816 (oder 817) auf alle Kirchen im fränkischen Reich, an denen sich eine Mehrzahl von Geistlichen befand, ausgedehnt (Regula Aquisgranensis). Als diese Form des Zusammenlebens der Geistlichen im sogen. Kapitel schon im 10. Jahrh. ihrer Auflösung entgegenging, indem die dem Kapitel gehörenden Güter unter die Mitglieder verteilt und von letztern eigne Wohnungen bezogen wurden, schieden sich im 11. und 12. Jahrh. die bei der Regel verharrenden als Canonici regulares von den weltförmigen, den Canonici saeculares. Jene bildeten eine neue Klasse von Mönchen. Aber auch unter ihnen immer wieder neu einreißende Verweltlichung rief verschiedene Reformationen des kanonischen Lebens hervor, als deren namhafteste die Prämonstratenserregel von Norbert (s. d.) gilt. Die Kleidung der K. war im 12. Jahrh. ein langer Leibrock, darüber das leinene Chorhemd (Alba); dann das Almutium, eine Mütze von Schaffell, die Kopf, Hals und Schultern bedeckte; dazu ein schwarzer Mantel ohne Kragen und die Kalotte (Käppchen). Die spätern prachtliebenden Chorherren gaben dieser Tracht ein gefälligeres Aussehen und vertauschten namentlich das Käppchen mit dem viereckigen Barett. Jetzt nennt man K. (Kanonikus, Chorherr, Domherr, Domkapitular, Stiftsherr) das Mitglied eines Kapitels (s. d.). Das Ansehen insonderheit der Domkapitel wuchs seit dem 13. Jahrh. zu einem Kollegium mit dem Rechte der Bischofswahl heran, und in demselben Maße wurden die Stellen der K. mit Angehörigen des höhern Adels besetzt. In der griechischen Musik Bezeichnung der Pythagoreer (s. Kanon).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 567.
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