Kuß

[878] Kuß (lat. Osculum), das Ausdrücken der Lippen auf irgend einen Gegenstand und namentlich auf den Mund einer andern Person als Zeichen der Freundschaft, Achtung und Liebe, eine vielen Völkern, z. B. auch Chinesen und Japanern, unbekannte Gefühlsäußerung, für die bei uns mundartlich auch Schmatz und Busserl gebräuchlich sind. Die Etikette hat auch für den K. bei jedem Volk eine Menge Zeremoniell eingeführt (vgl. Begrüßungen). Bekannt ist der Pantoffelkuß als Bezeigung der Ehre gegen den Papst, während bei den Bischöfen der Fingerring geküßt wird (vgl. Handkuß und Fußkuß). Im deutschen Mittelalter ward der K. auch zur Bekräftigung von Verträgen und Gelübden durch Küssen der Bibel und des Hostienbehälters angewendet, wie auch der Vasall den Lehnsherrn bei Übernahme eines Lehns zu küssen pflegte, und noch jetzt ist in mehreren Ländern der Verlobungskuß die Bestätigung des gegenseitigen Verlöbnisses. In der griechischen Kirche ist der sogen. Osterkuß üblich (vgl. Ostern), ein Überbleibsel des altchristlichen Friedenskusses (s. d.). In Halmágy (Ungarn) findet am Tage des heil. Theodor ein Kußmarkt statt, bei dem die jungen Frauen mit blumengeschmückten Weinkrügen den Jahrmarktsbesuchern einen K. und einen Trunk reichen. Gegen das hygienisch nicht unbedenkliche Küssenlassen der Kinder hat sich in neuerer[878] Zeit eine Anti-Kußliga gebildet. Vgl. Nyrop, Der K. und seine Geschichte (dän., 2. Aufl., Kopenh. 1897; engl., Lond. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 878-879.
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