Lanjuinais

[181] Lanjuinais (spr. langschǚinä), 1) Jean Denis, Graf, franz. Staatsmann, geb. 12. März 1753 in Rennes, gest. 13. Jan. 1827, wurde 1771 Advokat in seiner Vaterstadt, 1775 Professor an der dortigen Universität und 1789 als Deputierter des dritten Standes Mitglied der Nationalversammlung. An den Beratungen über die Verfassung, namentlich über das Verhältnis zwischen Staat und Kirche, nahm er als liberaler Jansenist hervorragenden Anteil. Als Mitglied des Konvents kämpfte er mit den Girondisten höchst mutig und entschlossen gegen die Anarchie und den Jakobinismus. Im Juni 1793 mit den Girondisten geächtet, entfloh er nach Rennes, wo er 18 Monate versteckt blieb, bis er nach dem Sturz der Schreckensherrschaft, 8. März 1795, wieder in den Konvent berufen wurde. Hier setzte er es durch, daß den Familien der Opfer der Schreckenszeit die konfiszierten Güter wiedergegeben wurden. Er ward Mitglied der Kommission zur Entwerfung einer Verfassung. 1795 wurde er von 73 Departements in den Rat der Alten gewählt, wo er zu der monarchisch gesinnten Rechten gehörte. Nach dem 18. Brumaire trat er in den Gesetzgebenden Körper und 22. März 1800 in den Senat, wo er als Haupt der schwachen Opposition die autokratischen Bestrebungen Bonapartes bekämpfte. Dessenungeachtet erhob ihn Napoleon I. 1803 zum Grafen. Während der Restauration erhielt er von Ludwig XVIII. die Pairswürde und blieb ein Verfechter der konstitutionellen Rechte gegen die Reaktion und den klerikalen Fanatismus. Seit 1808 war L. Mitglied des Instituts. Er hatte umfassende Kenntnisse auch auf dem Gebiete der Philologie, besonders der orientalischen Sprachen. Unter seinen publizistischen Schriften haben eine bleibende Bedeutung: »Appreciation du projet relatif aux trois concordats« (1817); »Constitutions de la nation française« (1819, 2 Bde.) und »De l'organisation municipale en France« (1821). Seine »Œuvres complètes« erschienen Paris 1832 in 4 Bänden. – L.' ältester Sohn, Paul Eugène, Graf von L., geb. 6. April 1789 in Rennes, folgte dem Vater 1827 in der Pairskammer und starb 6. Mai 1872; dessen Sohn Paul Henri, Graf von L., geb. 24. Juli 1834, ist einer der eifrigsten Monarchisten und Gegner der Republik in der französischen Kammer.

2) Victor Ambroise de, franz. Staatsmann, jüngerer Sohn von L. 1), geb. 5. Nov. 1802, gest. 1. Jan. 1869, ward 1830 Substitut des königlichen Staatsprokurators in Paris und war 1837–38 Mitglied der Deputiertenkammer, wo er zur gemäßigten Opposition gehörte. 1845 übernahm er mit Tocqueville und Corelle den »Commerce«. 1848 Mitglied der Konstituante, wie auch später der Legislative, gehörte er der gemäßigten Rechten an, war vom 2. Juni bis 31. Okt. 1849 Handels- und Ackerbauminister, protestierte aber 2 Dez. mit etwa 50 Mitgliedern der Majorität gegen den Staatsstreich und wurde danach auf kurze Zeit verhaftet. 1863 trat er als Deputierter in den Gesetzgebenden Körper, in dem er zur Opposition gehörte. Er schrieb außer nationalökonomischen Aufsätzen die Biographien seines Vaters (1832) und seines ältern Bruders (1848).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 181.
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