Liquidationsbureau

[600] Liquidationsbureau (Liquidationskassen, in Hamburg Effektenliquidationsbureau, in Frankfurt a. M. Kollektivskontro, in Wien Arrangementsbureau, in London und New York Stock Exchange Clearinghouse, in Paris Liquidation centrale genannt), eine von dem Liquidationsverein für Zeitgeschäfte an der Berliner Börse 1869 zu dem Zweck geschaffene und jeweilig von der Bank des Berliner Kassenvereins nach Vereinbarung mit dem Vorstand jenes Vereins nach Art einer Zentralabrechnungsstelle organisierte Einrichtung, um die Abwickelung der am Ultimo zu erfüllenden Engagements zu erleichtern. Dem Verein gehören als Mitglieder alle Börsenbesucher an, die Zeitgeschäfte abzuschließen pflegen, während andre, die nur gelegentlich sich mit solchen Geschäften befassen, sich unmittelbar mit ihren Kontrahenten zu verständigen haben. Die Mitglieder[600] des Vereins geben am Nachmittag des vorletzten Börsentags vor Ultimo an dem Bureau die von ihnen per ultimo abgeschlossenen Käufe und Verkäufe auf besondern Abrechnungsbogen (Skontrobogen) auf; diese Bogen, von denen für jedes Effekt ein besonderes Formular ausgegeben wird, enthalten die vollständige Liste der Mitglieder des Vereins. Da mitunter zwischen zwei Spekulanten während des Monats Käufe und Verkäufe abgeschlossen werden, so ergeben sich Saldi für den Einzelnamen. Aus den Saldi des ganzen Bogens, bez. aus der Gesamtsumme der zu liefernden und zu beziehenden Beträge ergibt sich der Betrag, den das Mitglied netto zu beziehen oder zu liefern hat (der Saldo). Diejenigen, die mehr Stücke zu beziehen als zu liefern haben, fügen ihrem Skontro Empfangsbeläge über den Nettobetrag der zu erhaltenden Stücke bei. Diese Beläge werden am nächsten Morgen als Lieferzettel an diejenigen ausgegeben, die nach Ausweis ihrer Skontri zu liefern haben. Sind die Skontri alle rechtzeitig eingeliefert und richtig aufgestellt, so muß die Gesamtsumme aller zu liefernden Stücke ebenso groß sein wie diejenige der zu empfangenden Stücke. Das Bureau steht alsdann glatt. Ergibt sich jedoch für dasselbe ein Saldo, so liegt ein Fehler vor, für den der schuldige Teil eine Konventionalstrafe zu zahlen hat. Kann aber der Fehler bis zu der der Einlieferung der Skontri nächstfolgenden Börse nicht ermittelt werden, so hat das Bureau das Recht, im Fall ein Saldo abzunehmen bleibt, Lieferzettel an den Verein selbst auszugeben.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 600-601.
Lizenz:
Faksimiles:
600 | 601
Kategorien: