Luchs [1]

[766] Luchs (Lynx Js. Geoffr.), Untergattung der Raubtiergattung Katze (Felis L.), hochbeinige Tiere mit mäßig großem Kopf, Ohrpinseln, meist starkem Backenbart und kurzem, oft stummelhaftem Schwanz. Der Sumpfluchs (Stiefelluchs, F. Chaus Temm.), 70–75 cm lang, mit 20–25 cm langem Schwanz, verhältnismäßig kurzen Beinen und nur angedeuteten Ohrpinseln, ist bräunlich fahlgrau, dunkel gestreift, auf der Unterseite hell ockergelb; der Schwanz ist dunkel geringelt, mit schwarzer Spitze. Der L. bewohnt den größten Teil Afrikas, Süd- und Westasien, lebt in Ägypten besonders im Getreide, Ried und Rohricht, schleicht bei Tag und Nacht nach Beute umher und frißt namentlich Ratten, Mäuse, Hafen, Hühner, Tauben und kleinere Vögel. Er ist harmlos und wird sehr zahm. Die alten Ägypter balsamierten ihn ein. Er paart sich mit der Katze. Der Wüstenluchs (Karakal, F. Caracal Schreb.). 65 cm lang, mit 25 cm langem Schwanz, starken Ohrpinseln und ungeflecktem, fahlgelbem bis braunrotem, am Bauch und an der Kehle ins Weißliche ziehendem Pelz mit schwarzem Fleck auf der Oberlippe, bewohnt die Wüsten und Steppen Afrikas, Vorderasiens und Indiens, lebt von kleinern Säugetieren und von Vögeln und ist sehr bösartig. Gleich dem vorigen wurde er von den alten Ägyptern einbalsamiert, und in Asien scheint man ihn zur Jagd benutzt zu haven. Auf ihn beziehen sich die Fabeln der alten Schriftsteller über den L., und seine Scharfsichtigkeit gab Veranlassung zu dem Ausdruck Luchsaugen. Am Kap dient das Fell gegen Gicht. Der gemeine L. (Tierwolf, F. Lynx L., s. Tafel »Raubtiere VI«, Fig. 2) wird 1–1,3 m lang, 75 cm hoch, mit 15–20 cm langem Schwanz, ist sehr gedrungen gebaut, hat mächtige Branken, lange, zugespitzte Ohren mit schwarzen, pinselförmigen Büscheln, steife, lange Schnurren auf der Oberlippe und zweispitzigen Bart. Er ist oben rötlichgrau, rotbraun oder graubraun gefleckt, an der Unterseite des Vorderhalses, den Lippen, Augenkreisen weiß, der Schwanz ist undeutlich geringelt mit schwarzer Spitze, doch ändert der Pelz in Färbung und Zeichnung bedeutend ab (Wolfluchs, Katzen- oder Silberluchs). Im Mittelalter fand er sich noch in Deutschland, doch wurden fast überall die letzten Luchse zu Ende des 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrh. getötet. In Deutsch-Österreich, Ostpreußen, auch wohl in Bayern und in der Schweiz kommt er noch bisweilen vor; in Rußland, Skandinavien und Ostsibirien ist er häufig. Er bewohnt dichte Wälder, schweist weit umher und wagt sich bis in die Nähe der Dörfer. Er springt und klettert vorzüglich, hat scharfes Gesicht und Gehör und beweist überall große List und Vorsicht. Die Stimme[766] ist laut, kreischend und brüllend; auch spinnt und schnurrt er katzenartig. Er jagt nachts besonders größere Vögel und Säugetiere bis zum Reh und Elch und mordet viel mehr, als er zur Nahrung braucht. Er meidet den Menschen; verwundet und in die Enge getrieben, greift er aber tapfer an. Die Luchskatze wirft zehn Wochen nach der Paarung 2–3 Junge in einem abgelegenen Versteck. Luchsfleisch gilt als schmackhaftes Wildbret, das Fell ist sehr geschätzt (s. Luchsfelle). In der deutschen Mythologie spielt der L. etwa dieselbe Rolle wie die Katze, und vielleicht sind die Tiere, die Freyjas Wagen ziehen, Luchse und nicht Katzen. In Südeuropa vertritt unsern L. der schwächere Pardelluchs (Felis pardina L.), mit rötlich braunfahlem, schwarz geflecktem und gestreiftem Pelz, und in Nordamerika, nördlich von den großen Seen, östlich bis zum Felsengebirge, lebt der Polarluchs (Fuchsluchs oder Pischu, F. canadensis Desm.); dieser ist bräunlich silbergrau, schwach gefleckt, an der Unterseite grau, lebt wie unser L., und sein Fleisch und Pelz werden wie vom letztern verwertet. Auch der nordamerikanische Rotluchs (F. rufa Güldst.) liefert Pelzwerk.

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 766-767.
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