Mildernde Umstände

[810] Mildernde Umstände (franz. Circonstances atténuantes), besondere tatsächliche Verhältnisse, die in einem gegebenen Straffall die Tat in so mildem Licht erscheinen lassen, daß die dafür gesetzlich bestimmte Strafe als zu hart erscheinen würde. Als m. U. können nicht nur Umstände, die in der Tat selbst liegen, sondern auch das Verhalten des Täters vor und nach der Tat, z. B. tätige Reue etc. in Betracht kommen. Nach dem deutschen Reichsstrafgesetzbuch und Militärstrafgesetzbuch, welch letzteres nach dem Vorgang des preußischen Strafgesetzbuchs die Berücksichtigung mildernder Umstände dem französischen Recht (Gesetz vom 28. April 1832) entnommen hat, muß die Strafe beim Vorhandensein mildernder Umstände gemindert werden, wenn es sich um eigentliche Verbrechen handelt, während sie herabgesetzt werden kann, wenn ein Vergehen mit mildernden Umständen vorliegt. Bei Übertretungen sind m. U. nicht zu berücksichtigen. Bei welchen Delikten m. U. überhaupt zu berücksichtigen sind, ist im Strafgesetzbuch und Militärstrafgesetzbuch ausdrücklich angegeben, während es die Frage, welche Momente als m. U. aufzufassen sind, nicht entscheidet, sondern ihre Beantwortung für den einzelnen Fall dem richterlichen Ermessen anheimgibt. So wird z. B. derjenige, der bereits zweimal als Dieb im Inland bestraft wurde, bei dem dritten Diebstahl mit Zuchthaus von einem bis zu zehn Jahren bestraft. Liegen aber m. U. vor, ist z. B. der Wertbetrag des Gestohlenen nur ein ganz geringer, so kann auf Gefängnisstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren heruntergegangen werden. Wo Geschworne über die Schuldfrage zu entscheiden haben, gebührt ihnen auch die Entscheidung über die Frage, ob m. U. anzunehmen sind oder nicht (deutsche Strafprozeßordnung, § 295, 297, 307). Nicht zu verwechseln mit den mildernden Umständen sind die sogen. Strafmilderungsgründe, d. h. solche Umstände, die kraft gesetzlicher Bestimmung die Strafe mildern und in jedem Fall berücksichtigt werden müssen, wie z. B. jugendliches Alter, Versuch, Beihilfe, psychische Erregtheit bei Begehung der Tat etc. Vgl. Strafzumessung.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 810.
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