Moschus

[169] Moschus (Bisam), das Sekret, das von dem männlichen Moschustier (s. d.) in einem in der Nähe der Geschlechtsteile liegenden Beutel (Moschusbeutel) abgesondert wird. Man unterscheidet im Handel tongkinesischen (tibetischen, orientalischen) als besten, ferner Yünnanmoschus, Nepal-, Assammoschus und kabardinischen (russischen, sibirischen) M. Der tongkinesische kommt von Schanghai aus in den Handel. Aus den Beuteln genommene Moschussubstanz (M. ex vesicis) wird oft arg verfälscht, doch unterliegen auch die andern Handelssorten der Verfälschung. M. bildet eine anfangs salbenartige, später krümelige,[169] körnige, braune, fettglänzende Masse von bitterlichem, widrig gewürzhaftem, schwach salzigem Geschmack und eigentümlichem, höchst durchdringendem und außerordentlich lange haftendem Geruch, der beim Trocknen der Substanz fast verschwindet, beim Befeuchten aber allmählich wieder stärker hervortritt und vielleicht auf einer eigentümlichen Selbstentmischung der Substanz beruht. Auch beim Zusammenreiben mit schwefelsauren und andern Metallsalzen, mit Sulfuraurat, Kampfer, Mutterkorn, Emulsionen etc. tritt der Geruch sehr zurück, doch nicht immer. Äußerst kleine Mengen von salzsaurem oder schwefelsaurem Chinin sollen den Geruch des M. völlig unterdrücken. An Wasser gibt M. 40–50, an Alkohol 8–10 Proz. lösliche Stoffe ab. M. wurde früher mehr als jetzt als Erregungsmittel, besonders im Todeskampf, arzneilich angewandt. Die Chinesen benutzen den M. seit alter Zeit, zu uns kam er erst durch die Araber; gegenwärtig wird er namentlich zu Parfümen verwendet, in denen er sich stets dadurch verrät, daß sein Geruch unverkennbar zurückbleibt, wenn alle ätherischen Öle verdunstet sind. Aus Schanghai wurden 1901: 1172 Catties (Kistchen mit 25–30 Moschusbeuteln) ausgeführt, davon 154 nach London, 599 nach Frankreich, 314 nach New York, 105 nach Hamburg. – Moschusgeruch findet sich, zum Teil an Drüsensekrete gebunden, noch beim Fleisch des Moschusochsen, beim Bisamschwein (Pekari), bei der Moschusratte, Bisamspitzmaus, beim Ameisenfresser, bei der türkischen Ente, bei dem Ei des Gänsegeiers, dem Alligator, bei den Schildkröten (mit Ausnahme der Landschildkröten), dem Moschusbock (Käfer), dem Moschuspolyp (Kopffüßer) und bei einer Schnecke (Fasciolaria trapezium), deren Deckel (Bisamnagel) früher als Räuchermittel diente, ferner bei der Sambulwurzel (Moschuswurzel, s. Ferula), bei Mimulus moschatus, Malva moschata, Adoxa moschatellina, zwei Ritterspornarten vom Himalaja, sehr schwach bisweilen bei der weißen Rübe etc. Bei Einwirkung konzentrierter Salpetersäure auf organische Substanzen, bei der Bildung der Nitroverbindungen, tritt häufig Moschusgeruch auf. Butyltoluol C7H7.C4H9 (aus Toluol u. Butylchlorid) gibt mit einem Gemisch von konzentrierter Schwefelsäure und Salpetersäure Trinitrobutyltoluol CH3.C4H9.C6H(NO2)3, das weiße glänzende Kristalle mit merkwürdig starkem und andauerndem Moschusgeruch bildet. Eine einprozentige alkoholische Lösung des Trinitrobutyltoluols oder des Trinitrobutylxylols zeigt diesen Geruch nicht, der aber bei Verdünnung mit Wasser alsbald sehr stark hervortritt und bis zu einer Verdünnung von 1 : 3000 an Intensität zuzunehmen scheint. Bei Lösungen von 1 : 5000 ist der Geruch noch deutlich wahrzunehmen. Der Geruch der Lösung von 1 : 3000 kann durch Kochen mit Ätznatronlösung noch bedeutend verstärkt werden, und dies Verhalten ist für die Verwendung der Substanz zum Parfümieren von Seife äußerst wertvoll. Dieser künstliche M. (Tonkinol) kommt mit Acetanilid gemischt in den Handel und dient als ein gutes Surrogat des M., wenngleich geübte Parfümeure den Geruch des natürlichen vom künstlichen M. zu unterscheiden wissen. Über künstlichen M. vgl. auch Bernsteinöl. Vgl. Heusinger, Meletemata quaedam de antiquitatibus castorei et moschi (Marburg 1852).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 169-170.
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