Norwegische Volkssprache

[807] Norwegische Volkssprache. Nachdem Norwegen im 14. Jahrh. mit Dänemark vereinigt worden war, wurde die alte Sprache des Landes als Schriftsprache und Sprache der Gebildeten allmählich gänzlich durch das Dänische verdrängt und fristete, in zahlreiche Dialekte gespalten, ihr Dasein nur als Umgangssprache der Landbevölkerung. Als aber 1814 das Land seinevollepolitische Selbständigkeit wiedererlangt hatte, machte sich bald das Bestreben geltend, auch sprachlich von Dänemark sich zu emanzipieren, d.h. eine eigne nationale Sprache zu schaffen, eine Bewegung, die man mit dem Namen »maalstræv« (d.h. Sprach streberei) bezeichnet hat. Über die Wege, auf denen das Ziel erreicht werden sollte, wurde man jedoch nicht einig: die eine Partei (das sogen. nynorske oder norsknorske maalstræv) wollte auf Grund der verschiedenen Volksmundarten, aus denen das ihnen allen Gemeinsame gewissermaßen herausdestilliert werden sollte, und mit möglichst engem Anschluß an das Altnorwegische,[807] eine ganz neue Sprachelandsmaal«) künstlich erzeugen; die andre (das dans-norske maalstræv) war der Ansicht, daß das Dänische als Grundlage beizubehalten, aber durch zahlreiche Entlehnungen aus dem Wortschatz der Dialekte und durch Wiedergabe der eigentümlichen norwegischen Aussprache durch die Orthographie gründlich zu norwegisieren sei. Die Begründer und Hauptvertreter der ersten Richtung waren der Dialektforscher Ivar Aasen (s. d.) und der Schriftsteller Aasmund Olafsön Vinje (vie beide auch in der neuen, nirgends gesprochenen Kunstsprache dichteten), ihre bedeutendsten Repräsentanten sind gegenwärtig Arne Garborg (s. d.) und Marius Hägstad, der eine neuerrichtete Professur für n. V. an der Universität Christiania bekleidet. Aussicht auf praktischen Erfolg hat jedoch nur die zweite, für die nicht nur namhafte Gelehrte (wie Johan Storm), sondern auch die beiden größten Dichter Norwegens (H. Ibsen und Bj. Björnson) sich entschieden haben; ja man kann sagen, daß die Aufgabe in den Schriften von Ibsen und Björnson, die ein durchaus norwegisches Kolorit trägt, tatsächlich bereits gelöst ist. Vgl. J. Storm, Det norske maalstræv (in »Nordisk tidsskrift for vetenskap, konst och industri«, 1878, S. 407 ff. und 526 ff.) und Det nynorske landsmaal (Kopenh. 1888); K. Maurer, Die Sprachbewegung in Norwegen (in der »Germania«, Bd. 25, S. 1 ff., Wien 1880); W. Golther (ebenda, Bd. 34, S. 411 ff., das. 1889); H. Koht, Det norske maalstrævs historie (Christ. 1899); Joh. Storm, Landsmaalet som kultursprog (das. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 807-808.
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