Storm

[68] Storm, 1) Theodor, Dichter und Novellist, geb. 14. Sept. 1817 zu Husum in Schleswig, gest. 4. Juli 1888 in Hademarschen, studierte Rechtswissenschaft in Kiel und Berlin, wo er mit dem Brüderpaar Theodor und Tycho Mommsen in nähere Verbindung trat, und ließ sich nach abgelegter Staatsprüfung 1842 als Advokat in seiner Vaterstadt nieder, verlor aber 1853 als Deutschgesinnter sein Amt und ward hierauf erst als Gerichtsassessor in Potsdam, dann als Landrichter zu Heiligenstadt im Eichsfeld angestellt. Nach der Befreiung Schleswig-Holsteins ging er 1864 nach Husum zurück, wo er zunächst zum Landvogt, 1867 zum Amtsrichter und 1874 zum Oberamtsrichter befördert wurde. Seit 1880 als Amtsgerichtsrat im Ruhestand, siedelte er nach Hademarschen (Kreis Rendsburg) über. S. nimmt unter den neuern Lyrikern, besonders aber unter den Novellisten eine hervorragende Stellung ein. Als ersterer führte er sich mit dem im Verein mit den beiden Mommsen herausgegebenen »Liederbuch dreier Freunde« (Kiel 1843) in die Literatur ein; »Sommergeschichten und Lieder« (Berl. 1851) und ein Band »Gedichte« (das. 1852, 15. Aufl. 1906) folgten nach. Besonders letztere brachten ihm stets wachsende Anerkennung ein. Der Dichter S. erweist sich als eine tiefsinnige, dabei frische und warmblütige Natur, die den tausendmal besungenen uralten Themen der Lyrik den Stempel des eigensten Gefühls ausdrückt. Reicher und mannigfaltiger noch sind seine Novellen. Der zuerst in den »Sommergeschichten und Liedern« veröffentlichten vielgelesenen Novelle »Immensee« (Sonderausg., Berl. 1852; 62. Aufl., das. 1906) ließ er zahlreiche andre Erzählungen und Novellen folgen, die sämtlich Stimmungsbilder von einer Tiefe, Zartheit und Kraft der Empfindung sind, wie sie nur eine ursprüngliche und echte Dichternatur schaffen kann. Der Kreis des Lebens, den er darstellt, ist eng, aber innerhalb dieses engen Kreises waltet Lebensfülle und Lebensglut; der norddeutsche Menschenschlag mit seinem tiefinnerlichen Phantasie- und Gemütsreichtum findet sich in Storms Geschichten in einer fast unerschöpflichen Mannigfaltigkeit der Charaktere geschildert. Dabei ist seine Vortragsweise künstlerisch sein und durchgebildet. Die Titel seiner meist vielfach ausgelegten Novellen sind: »Im Sonnenschein«, drei Erzählungen (Berl. 1854); »Ein grünes Blatt«, zwei Erzählungen (das. 1855); »Hinzelmeier« (das. 1857); »In der Sommermondnacht« (das. 1860); »Drei Novellen« (das. 1861); »Leonore« (das. 1865); »Zwei Weihnachtsidyllen« (das. 1865); »Drei Märchen« (Hamb. 1866; später u. d. T.: »Geschichten aus der Tonne«); »Von jenseit des Meeres« (Schleswig 1867); »Zerstreute Kapitel« (Berl. 1873); »Novellen und Gedenkblätter« (Braunschw. 1874); »Waldwinkel etc.« (das. 1875); »Ein stiller Musikant. Psyche. Im Nachbarhause links« (das. 1877); »Aquis submersus« (Berl. 1877); »Carsten Curator« (das. 1878); »Neue Novellen« (das. 1878); »Eekenhof. Im Brauerhause« etc. (das. 1880); »Die Söhne des Senators« (das. 1881); »Der Herr Etatsrat« (das. 1882); »Schweigen« und »Hans und Heinz Kirch« (das. 1883); »Zur Chronik von Grieshuus« (das. 1884); »Ein Bekenntnis« (das. 1887); »Der Schimmelreiter« (das. 1888) etc. Außerdem besitzen wir von S. eine wertvolle kritische Anthologie: »Hausbuch aus deutschen Dichtern seit Claudius« (4. Aufl., Braunschw. 1877). Eine Gesamtausgabe seiner Schriften erschien in 19 [68] Bänden (Braunschw. 1868–89; letzte Ausg. in 8 Bdn., das. 1905). Seinen Briefwechsel mit Mörike gab J. Bächtold heraus (Stuttg. 1891), den mit Emil Kuh dessen Sohn Paul in »Westermanns Monatsheften«, Bd. 67 (1890), den mit Gottfried Keller Köster (Berl. 1904). Vgl. Erich Schmidt, Theodor S., in den »Charakteristiken«, Bd. 1 (2. Aufl., Berl. 1902), und in der »Allgemeinen Deutschen Biographie«, Bd. 36; Schütze, Theodor S., sein Leben und seine Dichtung (das. 1887, 2. Aufl. 1907); Ad. Stern, Studien zur Literatur der Gegenwart (3. Aufl., Dresd. 1905); Remer, Theodor S. als norddeutscher Dichter (Berl. 1897); Gilbert, Theodor S. als Erzieher (Lübeck 1904).

2) Gustav, norweg. Historiker, geb. 18. Juni 1845, gest. 23. Febr. 1903 in Christiania, wo er 1877 Geschichtsprofessor wurde, war ein namhafter Vertreter der modernen kritisch-philologischen Geschichtsforschung. Er veröffentlichte: »Snorre Sturlasöns historieskrivning« (Kopenh. 1873, preisgekrönt); »Sagnkredsene om Karl den Store og Didrik af Bern hos de nordiske Folk« (Christiania 1874); »Kritiske Bidrag til Vikingetidens Historie« (1878); »Monumenta historica Norvegiae« (1880); »Norges gamle Love« (Bd. 4 u. 5; 1885–95); »Studier over Vinlandsrejserne og Vinlands Geografi og Etnografi« (1888; preisgekrönter Beitrag zur Entdeckungsgeschichte Amerikas); »Islandske Annaler indtil 1578« (1888); »Maria Stuart« (1891; deutsch von P. Wittmann, Münch. 1893); »Christopher Columbus og Amerikas Opdagelse« (1892); »Norges gamle Vaaben, Farver og Flag« (1894, illustriert); »Historisk-topografiske Skrifter om Norge og norske Landsdele« (1895); »Afgifter fra den norske Kirkeprovins til det apostoliske Kammer etc. 1311–1523« (1897); »Regesta Norvegica« (Bd. 1, 1898; reicht bis 1263). Ferner schrieb er viele Aufsätze, so für das von ihm mitbegründete und 1882–87 von ihm redigierte »Arkiv for nordisk filologi« und die »Abhandlungen« der norwegischen Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften, deren Sekretär er seit 1884 war. Seine vortreffliche Übersetzung »Snorre Sturlasöns Kongesagaer« erschien als illustriertes Prachtwerk (1896–99) und in 3 Volksausgaben. 1873–76 gab er die gesammelten Abhandlungen P. A. Munchs (s. d.) heraus.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 68-69.
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