Mörĭke

[146] Mörĭke, Eduard, namhafter Dichter. geb. 8. Sept. 1804 in Ludwigsburg, gest. 4. Juni 1875 in Stuttgart, empfing seine Gymnasialbildung im Seminar zu Urach und studierte dann Theologie in Tübingen, wo er sich mit Ludw. Bauer, Strauß u.a. eng befreundete. Als Dichter trat er zuerst mit dem poetisch reichen Roman »Maler Nolten« (Stuttg. 1832; 2. umgearbeitete Aufl. 1877; 7. Abdruck derselben 1904) hervor, der mit seiner Darstellung weit über den allgemeinen Lebens- und Stimmungsgehalt der schwäbischen Dichterschule hinauswuchs. Nachdem M. als Pfarrgehilfe an einigen Orten Württembergs tätig gewesen, erhielt er 1834 die Pfarrstelle zu Kleversulzbach bei Weinsberg, die er bis 1843 bekleidete. Krankheit zwang ihn, sein Amt niederzulegen; er lebte hierauf einige Jahre hindurch als Privatgelehrter in Mergentheim. 1851 siedelte er nach Stuttgart über, übernahm hier eine Lehrerstelle am Katharinenstift, die sehr geringe Anforderungen an ihn stellte, und trat 1866 in den Ruhestand. Seine letzten Lebensjahre waren durch häusliche Verhältnisse, an denen seine schwerblütige Natur viel Schuld trug, getrübt; auffallend war auch in Mörikes bessern Jahren sein Mangel an Aktivität. Das bedeutendste Werk dieses eigentümlichen, unter den nachgoetheschen Lyrikern mit an erster Stelle stehenden Dichters war und blieb die Sammlung seiner »Gedichte« (Stuttg. 1838, 22. Aufl. 1905). Ihr Wert beruht auf der vollendeten, auch vom leisesten Zuge der Abstraktion oder falschen Rhetorik freien Unmittelbarkeit des Gefühls, der tiefen Innerlichkeit, volkstümlichen Schlichtheit, lebendigen Anschauung und sein abgestimmten Form. Gedichte wie »Der alte Turmhahn«, »Schön Rohtraut«, »Das verlassene Mädchen« u.a. gehören zu den vollendetsten der deutschen Literatur; viele sind durch Hugo Wolf genial vertont. Reizende Einzelheiten weisen auch »Das Stuttgarter Hutzelmännlein«, Märchen (Stuttg. 1852), woraus die »Historie von der schönen Lau« später mit 7 Umrissen von Schwind (das. 1873) erschien, das »Idyll vom Bodensee«, in 7 Gesängen (das. 1846), die Novellen: »Mozart auf der Reise nach Prag« (das. 1856, 9. Aufl. 1905), »Der Schatz« und »Lucie Gelmeroth« u.a. auf, die in den »Gesammelten Erzählungen« (7. Aufl., Leipz. 1904) vereint wurden. M. gab außerdem eine Übersetzung von Theokrits Idyllen (mit Notter, Stuttg. 1853–56) und des Anakreon (das. 1864) heraus. Seine »Gesammelten Schriften« erschienen in 4 Bänden (Stuttg. 1878 u. ö.), eine neue Ausgabe der »Sämtlichen Werke« besorgte R. Krauß (Leipz. 1905, 6 Bde.) für Hesses Klassiker-Ausgaben. Seine unbedeutenden Gelegenheitsgedichte gab Krauß heraus (»E. M. als Gelegenheitsdichter«, Stuttg. 1895); seinen Briefwechsel mit Herm. Kurz (das. 1885), mit M. v. Schwind (Leipz. 1890) und mit Theodor Storm (Stuttg. 1891) veröffentlichte Bächtold, eine gute Auswahl seiner »Briefe« besorgten K. Fischer und Krauß (Berl. 1903 bis 1904, 2 Bde.); »Gedichte und Briefe an seine Brant Margarete v. Speeth« gab Marie Bauer (Leipz. 1903) heraus. Vgl. Karl Fischer, E. Mörikes Leben und Werke (Berl. 1901) und E. Mörikes künstlerisches Schaffen und dichterische Schöpfungen (das. 1903); Maync, Eduard M. Sein Leben und Dichten (Stuttgart 1902; neben K. Fischers Schriften das Beste über den Dichter); H. Fischer, Eduard M. (das. 1881) und Beiträge zur Literaturgeschichte Schwabens (Tübingen 1891); kleinere Schriften von Notter (Stuttg. 1875), Klaiber (das. 1876), Eggert-Windegg (Berl. 1904), H. Landsberg (das. 1904), Ebner (Stuttg. 1904), Kühl (Berl. 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 146.
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