Ribot

[894] Ribot (spr. -bo), 1) Théodule, franz. Maler, geb. 8. Aug. 1823 in Breteuil (Eure), gest. 12. Sept. 1891 in Colombes, wurde in Paris Schüler von Glaize und machte sich zuerst seit 1861 durch Stilleben, Hühnerhöfe und Küchenszenen bekannt, die durch ihre grelle Beleuchtung bei dunkler Tonstimmung an Ribera, Caravaggio und andre Naturalisten erinnerten. An diesem malerischen Stile, den er durch Malen in einer Scheune bei von oben einfallendem Licht erreichte, hielt er auch später fest, als er Szenen aus der Bibel und der Heiligenlegende darstellte, von denen der von zwei alten Frauen gepflegte heil. Sebastian (1865, im Luxembourgmuseum), der heil. Vinzenz als Märtyrer, Jesus als Knabe unter den Schriftgelehrten (1866, im Museum zu Rouen), der barmherzige Samariter (1870) und die Kreuzabnahme die hervorragendsten sind. Daneben hat er Bildnisse, Einzelfiguren und Genregruppen (die Philosophie, die Musiker, vor dem Gekreuzigten, die Familienpapiere, die schwarzen Perlen) und Marinen gemalt. Vgl. de Fourcaud, Théodule R. (Par. 1885).

2) Théodule, franz. Philosoph, einer der Hauptvertreter der neuern Psychologie, geb. 18. Dez. 1839 in Guingamp, studierte an der höhern Normalschule in Paris, wirkte seit 1865 als Professor der Philosophie an verschiedenen Collèges, widmete sich indessen seit 1872 in Paris vorzüglich biologischen und physiologisch-psychologischen Studien und begründete 1876 die »Revue philosophique«, die er gegenwärtig noch herausgibt, sowie 1884 die Gesellschaft für physiologische Psychologie. 1885 wurde er außerordentlicher Professor der Psychologie an der Sorbonne, 1888 ordentlicher Professor der vergleichenden und Experimentalpsychologie am Collège de France, Ende 1906 Mitglied der Akademie. Er schrieb: »La psychologie anglaise contemporaine« (1870, 3. Aufl. 1895); »L'hérédité. Étude psychologique« (1873; deutsch nach der umgearbeiteten 5. Aufl. von Kurella, Leipz. 1895); »La philosophie de Schopenhauer« (1874, 9. Aufl. 1903); »La psychologie allemande contemporaine« (1879, 5. Aufl. 1900; deutsch, Braunschw. 1881); »Les maladies de la mémoire« (1881, 16. Aufl. 1904; deutsch, Hamb. 1882); »Les maladies de la volonté« (1882, 9 Auflagen; deutsch von Pabst, Berl. 1893); »Les maladies de la personnalité« (1885, 19. Aufl. 1904; deutsch von Pabst, das. 1894); »Lapsycbologie de l'attention« (1888, 5. Aufl. 1902); »La psychologie des sentiments« (1896, 9. Aufl. 1903; deutsch von Ufer, Altenb. 1903); »L'evolution des idées générales« (1897, 2. Aufl. 1903); »Essai sur l'imagination créatrice« (1900, 2. Aufl. 1905; deutsch, Bonn 1902); »La logique des sentiments« (1905); »Essai sur les passions« (1906). Auch übersetzte er (mit Espinas) Herbert Spencers »Principles of psychology« ins Französische (1874–75, 2 Bde.). Vgl. Krauß, Th. Ribots Psychologie (Jena 1905).

3) Alexandre, franz. Politiker, geb. 7. Febr. 1842 in St.-Omer, ließ sich in Paris als Advokat nieder und wurde 1875 von Dufaure als Direktor der Kriminal- und Gnaden angelegenheiten in das Justizministerium berufen. Doch nahm er 1876 seine Entlassung und ward 1878 in die Deputiertenkammer gewählt, wo er sich dem linken Zentrum anschloß und gemäßigte republikanische Anschauungen vertrat, aber durch seine Arbeitskraft und Beredsamkeit bald eine einflußreiche Stellung einnahm. 1890–92 übernahm er die auswärtigen Angelegenheiten, die er im Sinne eines engen Anschlusses an Rußland, doch mit friedlichen Tendenzen leitete. Am 4. Dez. 1892 übernahm R. auch die Ministerpräsidentschaft. Mit großer Tatkraft erzwang er die Entlassung des in die Panamaschwindeleien verwickelten Freycinet. Indes schon im April 1893 wurde sein Kabinett durch das Ministerium Dupuy ersetzt. Am 20. Aug. 1893 wurde er wieder in die Abgeordnetenkammer gewählt. 1895 bildete er ein aus Radikalen und Gemäßigten gemischtes Ministerium, in dem er die Finanzen übernahm, das aber schon nach wenigen Monaten gestürzt wurde. Seitdem ist er zur nationalistischen Partei übergegangen. Im Januar 1906 wurde er Mitglied der französischen Akademie. Er veröffentlichte: »Quatre années d'opposition; discours politiques, 1901–1905« (Par. 1905, 2 Bde.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 894.
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