Riesenschlangen

[929] Riesenschlangen (Boïdae Dum. et Bibr., hierzu Tafel »Riesenschlange«), Familie der nichtgiftigen Schlangen, große Tiere mit seitlich zusammengedrücktem, ungemein kräftigem Körper, deutlich abgesetztem, oft mit Schuppen bedecktem Kopf, weitem Rachen mit derben Zähnen, dünnem Hals, verhältnismäßig kurzem, einrollbarem Schwanz und zwei hornigen, stumpfen Klauen in der Nähe des Afters. Sie bewohnen die Wälder der heißen Länder der Neuen Welt, jagen meist nachls, wobei sie ihre Beute mit dem Gebiß packen, dann umschlingen, erdrücken und endlich verschlingen. Nach der Sättigung versinken sie in große Trägheit. Sie bewältigen Tiere bis zur Größe eines Rehes, fliehen aber meist vor dem Menschen. Die Abgottschlange (Königsschlange, Boa constrictor L., s. Tafel »Schlangen I«, Fig. 2), über 6 m lang, rötlichgrau, mit eiförmigen, graugelblichen Flecken in einem zackigen, dunkeln Längsstreifen auf dem Rücken und mit drei dunkeln Streifen auf dem Kopfe, bewohnt das nördliche und östliche Südamerika, hält sich in Erdhöhlen etc. verborgen, besteigt bisweilen auch Bäume, geht aber nie ins Wasser. Sie nährt sich von kleinen Säugetieren, Vögeln und Reptilien. Gefangene Abgottschlangen brachten lebende Junge, manche auch gleichzeitig Eier zur Welt. In Brasilien unterhält man sie als Ratten- und Mäusejäger in Speichern, in denen sie sich nachts frei umhertreiben. Man verarbeitet die gegerbte Haut zu Stiefeln und Satteldecken; das Fleisch wird von den Negern gegessen und das Fett als Heilmittel benutzt. Sehr häufig wird sie lebend nach Europa gebracht. Die al len Mexikaner verehrten eine große Schlange, vielleicht diese Art; auch den Negern in Amerika ist sie heilig. Die Anakonda (Eunectes murinus Wagl. s. beifolgende Tafel), ebenfalls in Südamerika, soll über 10 m lang werden, ist oberseits dunkel olivenfarben, schwarzbraun gefleckt, mit einem schmutzig gelbroten und einem schwarzbraunen, vom Auge aus verlanfenden Streifen, unterseits blaßgelb, schwärzlich gefleckt mit zwei Reihen ringförmiger, schwarzer, innen gelber Augenflecke. Sie lebt meist im Wasser, sonnt sich gern am Ufer, besteigt auch Bäume, nährt sich hauptsächlich von Fischen und macht sich durch ihre Räubereien sehr verhaßt. Sie flieht den Menschen, soll aber Badenden gefährlich werden. Während der Verdauung liegt sie träge und haucht einen pestartigen Geruch aus. Beim Austrocknen der Gewässer vergräbt sie sich in Schlamm und verfällt in einen Zustand der Erstarrung. Man verwertet sie wie die vorige, auch kommt sie oft lebend nach Europa.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 929.
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