Rouvier

[200] Rouvier (spr. ruwjē), Maurice, franz. Minister, geb. 17. April 1842 in Aix, ließ sich in Marseille als Advokat nieder. Am 2. Juli 1871 in die Nationalversammlung gewählt, schloß er sich der äußersten Linken an. Seit 1876 Mitglied der Deputiertenkammer, nahm er an den Verhandlungen der Kammer lebhaften Anteil, namentlich in finanziellen und volkswirtschaftlichen Fragen, und war mehrmals Berichterstatter für das Budget. 1881–82 und 1884–85 war er Handelsminister und trat im Mai 1887 an die Spitze des Kabinetts, das sich bis zum Dezember behauptete. Von der Geschäftswelt sehr geschätzt, ein geschickter Finanzmann, wurde er 1889 Finanzminister; allein seine zweifellose Beteiligung an dem Panamaschwindel[200] nötigte ihn, 13. Dez. 1892 seine Entlassung zu nehmen. Indes wurde er im Februar 1893 gerichtlich außer Verfolgung gesetzt und bei den Wahlen 20. Aug. 1893 wieder zum Abgeordneten ernannt. Sein Ruf als hervorragender Finanzmann war so groß, daß er im Juni 1902 wieder Finanzminister im Kabinett Combes wurde. Im Januar 1903 wurde er in den Senat gewählt. 1905 wurde er Ministerpräsident und Finanzminister und übernahm dann, als der Minister des Äußern, Delcassé, in der Marokkofrage das Land dicht vor einen Krieg mit Deutschland geführt hatte, nach Delcassés Entlassung das Ministerium des Äußeren. Er lenkte die Marokkofrage im September 1905 durch ein Abkommen mit Deutschland auf einen friedlichen Weg. Anderseits setzte er schon 3. Juli 1905 das Trennungsgesetz zwischen Staat und Kirche in der Abgeordnetenkammer durch, wurde jedoch 6. März 1906 mit seinem Kabinett wegen ungeschickter Handhabung dieses Gesetzes gestürzt. – Über seine unter dem Namen Claude Vignon als Romanschriftstellerin und Bildhauerin bekannte Gattin s. Vignon.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 200-201.
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