Schanker

[693] Schanker (franz. chancre, v. lat.cancer, »Krebs«), Geschwüre, die durch Ansteckung gewöhnlich an den äußern Geschlechtsteilen, sehr selten an andern Körperteilen (extragenital), z. B. an den Lippen, bei Ärzten und Hebammen an den Fingern vorkommen. Man unterscheidet: a) den weichen S., der 2–3 Tage nach der Ansteckung durch direkte Berührung mit einem solchen Geschwür (daher fast ausschließlich an den Geschlechtsteilen) zuerst in Gestalt einer bald an der Oberfläche zerfallenden Pustel auftritt, aber nur entsteht, wenn eine Schrunde in der Epidermis, eine Abschelferung des Epithels, mit einem Worte, eine offene Pforte vorhanden gewesen ist, durch die das Gift in den Organismus eindringen konnte. Ein bestimmter Mikroorganismus als Urheber des weichen Schankers ist bisher nicht bekannt. Die einzige Komplikation ist die Erkrankung der Lymphbahnen, die von der vom S. ergriffenen Stelle ausgehen, und der mit diesen Bahnen in Verbindung stehenden Lymphdrüsen, die sich entzünden, schmerzhaft anschwellen (Bubonen) und (oft sehr langwierige) Eiterungen veranlassen. Der weiche S. ist ein Haut- oder Schleimhautgeschwür von sehr verschiedenem Umfang, graurotem, leicht blutendem Grund und in der Regel weichen, unregelmäßig unterminierten Rändern, das oft mehrfach auftritt. Es sondert reichlich Eiter ab, heilt dann aber im Verlauf von 5–8 Wochen mit Hinterlassung einer Narbe, die niemals wieder ausbricht. Bei frühem Stadium, geeignetem Sitz und Einzahl des Geschwürs ist seine Ausschneidung angebracht. Andernfalls wird die Heilung durch Ätzung und Bestreuung mit Wundstreupulvern begünstigt. b) Der harte S. zeigt sich erst 4–6 Wochen nach der Ansteckung, tritt in Form einer alsbald an der Oberfläche zerfallenden harten Papel auf und bildet immer nur ein Geschwür mit harten, steilen Rändern, das wie mit dem Locheisen ausgeschlagen aussieht und spärliche Absonderung hat. Es stellt die Eintrittspforte und die erste Äußerung der Syphilis dar (daher Primäraffekt genannt). Der harte S. hat meist nicht bedeutende schmerzlose Anschwellung aller Lymphdrüsen in der Leistengegend (indolente Bubonen), aber stets konstitutionelle Syphilis (s. d.) im Gefolge. Diese kann günstigsten Falles verhindert werden durch frühzeitiges Ausschneiden des Schankers. Ist dies nicht möglich, so befördert man die Heilung durch häufige Reinigung und Bestreuung mit Kalomel, Europhen u.a. Mischschanker entstehen, wenn gleichzeitig beide Giftstoffe übertragen werden und ein weicher sich in einen harten S. verwandelt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 693.
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