Schwefelsäureanhydrid

[163] Schwefelsäureanhydrid (wasserfreie Schwefelsäure, Schwefeltrioxyd, Philosophisches Salz, Sal volatile vitrioli) SO3 entsteht beim Erhitzen der Sulfate vieler Schwermetalle, z. B. des schwefelsauren Eisenoxyds, beim Erhitzen von Pyrosulfaten der Alkalien, wobei Sulfat zurückbleibt (K2S2O7 = K2SO4+SO3). Neben Schwefliger Säure entsteht auch S. beim Rösten von Schwefelmetallen. Man erhält es durch Destillation von konzentrierter Schwefelsäure mit Phosphorpentoxyd oder durch vorsichtiges Erwärmen von rauchender Schwefelsäure im Destillationsapparat. S. entsteht ferner, wenn man Schwefeldioxyd (Schweflige Säure SO2) mit Luft bei erhöhter Temperatur über eine Kontaktsubstanz leitet. In der Technik benutzt man nach dem Kontaktverfahren an Dioxyd reiche Röstgase, die unter Einhaltung bestimmter Temperaturen über frische Kiesabbrände (bei 600°) oder über platinierten Asbest (bei 450°) geleitet werden. Die Röstgase müssen gereinigt, namentlich von Arsen befreit werden, weil Spuren von Arsen die Kontaktwirkung des Platins sehr bald beeinträchtigen. Bei der Reaktion werden 22,600 Wärmeeinheiten frei, und es ist deshalb Abführung von Wärme erforderlich. Es gelingt, 96–98 Proz. der Schwefligen Säure in Anhydrid zu verwandeln. Zur Kondensation der Anhydriddämpfe dient Schwefelsäure von 97–99 Proz.; durch kontinuierlichen Zufluß von Wasser (oder verdünnter Schwefelsäure) und Ablauf von Schwefelsäure erhält man die Absorptionssäure beständig auf gleicher Konzentration. Zur Darstellung rauchender Schwefelsäure muß man dann noch ein oder mehrere Absorptionsgefäße vorschalten. S. bildet farblose Prismen vom spez. Gew. 1,984, schmilzt bei 14,8° zu einer farblosen Flüssigkeit, siedet bei 46°, kann nur in zugeschmolzenen Gefäßen und auch in diesen nur oberhalb 27° unverändert aufbewahrt werden. S. reagiert, wenn es vollkommen trocken ist, neutral. Es zieht sehr begierig Feuchtigkeit an, bildet an der Luft dicke, weiße Nebel, zischt, in Wasser geworfen, wie glühendes Eisen und bildet damit Schwefelsäure. Ein Tropfen Wasser, der in ein Gefäß mit S. fällt, erzeugt Lichtentwickelung und Explosion. Es verkohlt viele organische Stoffe, bildet mit andern Sulfosäuren, mit absolutem Äther Äthylsulfat, auf viele Körper wirkt es explodierend unter Bildung von Schwefliger Säure, und im glühenden Rohr zerfällt es in Schweflige Säure und Sauerstoff. Bei Aufbewahrung unter 27° polymerisiert es sich zu kristallinischem Schwefelhexoxyd S2O6, das bis 50° fest bleibt und oberhalb dieser Temperatur wieder in S. übergeht. Bei Einwirkung von Schwefel auf S. entsteht Schwefelsesquioxyd S2O3 in blaugrünen Kristallen. Man versendet S. mit einem Gehalt von 2 Proz. Schwefelsäure in verlöteten Blechdosen, doch kommt auch als festes Vitriolöl (festes Oleum) ein Produkt in den Handel, das aus 40 Proz. S. und 60 Proz. Schwefelsäure besteht. Die Handhabung des Schwefelsäureanhydrids erfordert große Vorsicht, weil die Berührung der Haut mit flüssigem oder eben durch Wasser schmelzendem S. bösartige und langsam heilende Brandwunden erzeugt. Man benutzt S. wie rauchende Schwefelsäure besonders in der Teerfarbenindustrie, und es verdrängt die rauchende Säure mehr und mehr, da es sich leichter verschicken läßt. S. wurde von Basilius Valentinus aus Eisenvitriol und von Bernhard 1775 aus rauchender Schwefelsäure erhalten. Phillips nahm 1831 ein Patent zur Darstellung von S. aus Schwefligsäureanhydrid und Sauerstoff mit Hilfe von Platin in der Absicht, diesen Prozeß zur Gewinnung von Schwefelsäure zu verwerten. Winkler lieferte 1875 eine bahnbrechende Arbeit über diesen Gegenstand, und gegenwärtig kommt S. regelmäßig in den Handel.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 163.
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