Städtereinigung

[829] Städtereinigung, die Beiseitigungen aller Abfallstoffe von Straßen und aus Häusern, besonders der Exkremente, der Abwässer der Häuser, des Kehrichts (Müll), allerlei gewerblicher Abfälle, besonders aus Schlachthäusern etc. Diese Abfallstoffe sind zum großen Teil fäulnisfähig und entwickeln bei der Fäulnis übelriechende Gase, welche die Luft in den Straßen, Höfen und auch in den Häusern verderben, bei der Lagerung der Abfallstoffe (Abtrittgruben etc.) dringen lösliche fäulnisfähige Stoffe in den Boden und verunreinigen[829] ihn, auch werden durch die in den Exkrementen, im Kehricht etc. enthaltenen pathogenen Bakterien ansteckende Krankheiten weiter verbreitet. In den meisten ältern großen Städten ist der Boden durch Senkgruben, Schlachthäuser etc. arg verunreinigt, und an vielen Orten ist infolgedessen das Wasser aus den städtischen Brunnen nur noch für gewisse technische Zwecke brauchbar. Die moderne S. kann daher nur durch rationelle Abfuhr der Exkremente (s. d.), durch Kanalisation (s. d.) und Abwässer, geregelte Müllabfuhr, Zentralisation des Schlächtereibetriebes in öffentlichen Schlachthäusern, Anlage von Markthallen etc. weiterer Verunreinigung vorbeugen und die Selbstreinigung des Bodens vorbereiten, für die Versorgung mit gutem Trinkwasser müssen Wasserleitungen angelegt werden. Wo S. konsequent durchgeführt ist, hat sich der Gesundheitszustand gehoben und ist die Sterblichkeit gesunken. Die Kosten der einzelnen Reinigungssysteme sind durch die örtlichen Verhältnisse, die Einwohnerzahl, das Vorhandensein öffentlicher Wasserläufe, die Höhenlage der Stadt, die Beschaffenheit der Umgegend, die Vollkommenheit der Anlage etc. bedingt. Die Kosten für geregelte Abfuhr sind halb so hoch anzunehmen wie die für Kanalisation. Die Abfuhr wird aber um so billiger, die Kanalisation um so teurer, je kleiner die Städte sind, und umgekehrt. Eine nicht geregelte Abfuhr fordert an Betriebskosten ziemlich genau dasselbe wie die geregelte, bei letzterer kommen nur die einmaligen Anlagekosten hinzu. Im allgemeinen läßt sich sagen: bei Großstädten kommt lediglich Schwemmkanalisation mit Berieselung in Betracht; bei mittelgroßen Städten tritt neben der Schwemmkanalisation die Trennkanalisation mit Berieselung oder künstlicher Reinigung in Wettbewerb; bei mittelkleinen Städten ist das mehr oder minder vollständige Trennsystem angebracht, wobei die Exkremente entweder durch Kanalisation oder durch organisierte Abfuhr beseitigt werden; bei kleinern Städten ist die organisierte Abfuhr, namentlich mit dem Tonnensystem, am zweckmäßigsten. Bei dieser Klassifikation ist aber nicht die Einwohnerzahl allein maßgebend, vielmehr spielt auch die Bedeutung der Stadt durch ihren Wohlstand und ihre Industrie, die Rücksicht auf Fremdenverkehr etc. eine große Rolle. Vgl. Blasius und Büsing, Städtereinigung (Jena 1894); Büsing, Städtereinigung (Stuttg. 1897–1901, 2 Tle.); Peveling, Referat für den Verbandstag des Zentralverbandes der städtischen Haus- und Grundbesitzervereine Deutschlands im August 1899; »Untersuchungen zur Straßenhygiene«, herausgegeben von Weyl (Berl. 1900); Metzger, Städteentwässerung und Abwässerreinigung (das. 1907); »Fortschritte der Straßenhygiene«, herausgegeben von Weyl (Jena 1901 ff.); »Gesundheits-Ingenieur. Zeitschrift für die gesamte Städtehygiene« (München) und die Literatur bei Art. »Abwässer, Exkremente und Kanalisation«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 829-830.
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