Standfähigkeit

[846] Standfähigkeit (Stabilität), das Vermögen eines Körpers, seine Stellung der Schwerkraft gegenüber zu behaupten. Auf einer wagerechten Ebene bleibt ein Körper stehen, wenn die durch seinen Schwerpunkt, in dem das Gewicht des Körpers vereinigt zu denken ist, gezogene lotrechte Linie die Unterstützungsfläche des Körpers trifft. Stützt sich ein Körper nur an einzelnen Punkten auf die Unterlage, so ist die Unterstützungsfläche begrenzt durch die geraden Linien, welche die äußersten Stützpunkte verbinden. Bei einem stehenden Menschen bilden nicht bloß die Fußsohlen, sondern auch der zwischen ihnen liegende Raum, der beiderseits von den Sohlen, vorn durch eine die Fußspitzen, hinten durch eine die Fersen verbindende gerade Linie begrenzt wird, die Stützfläche.

Standfähigkeit.
Standfähigkeit.

Trägt ein Mensch eine Last, so muß er, um nicht zu fallen, seinen Körper derart neigen, daß die durch den gemeinsamen Schwerpunkt des Körpers und der Last gezogene Lotrechte den Boden innerhalb jener Stehfläche trifft. Um einen Körper umzuwerfen, muß man ihn um eine Kante oder einen Punkt (a der Figur) des Umfanges seiner Unterstützungsfläche so lange drehen, bis sein Schwerpunkt lotrecht über jener Kante oder jenem Punkte liegt; läßt man ihn los, ehe diese Lage erreicht ist, so fällt er in seine frühere Stellung zurück; dreht man ihn aber nur ein wenig über jene Lage hinaus, so stürzt er um und bleibt in einer neuen Stellung liegen. Soll das Umkanten durch eine wagerecht am Schwerpunkte (S) des Körpers angreifende Kraft (K) bewirkt werden, so muß das Drehungsbestreben dieser Kraft dem entgegengesetzten der Schwere (G) mindestens gleich sein, oder die Kraft K, multipliziert mit ihrer Entfernung (ab) vom Drehpunkt (d. h. mit der Höhe des Schwerpunktes über der Grundfläche), muß gleich sein der Kraft G oder dem Gewichte des Körpers, multipliziert mit ihrer Entfernung (ac) vom Drehpunkt (d. h. mit der halben Breite der Stützfläche). Die Standfestigkeit des Körpers, für welche die Kraft K das Maß darstellt, steht demnach im geraden Verhältnis zu dem Gewichte des Körpers und zur Breite seiner Stützfläche und im umgekehrten Verhältnis der Höhe des Schwerpunktes über der Grundfläche, oder ein Körper steht um so fester, je größer sein Gewicht und je breiter seine Stützfläche ist, und je tiefer sein Schwerpunkt liegt. Ein Körper, der um eine wagerechte feste Achse drehbar ist, befindet sich der Schwerkraft gegenüber in jeder beliebigen Lage im Gleichgewicht, wenn sein Schwerpunkt genau in der Drehungsachse liegt: er befindet sich im »gleichgültigen« oder indifferenten Gleichgewicht. Liegt sein Schwerpunkt lotrecht über der Achse, so wird der Körper, sobald man ihn aus dieser Gleichgewichtslage nur ein wenig herausdreht, von der Schwere nach der Seite weiter gedreht, nach der er sich neigt: unsicheres, unbeständiges, labiles Gleichgewicht. Er »schlägt um« und dreht sich so lange, bis sein Schwerpunkt lotrecht unter der Achse liegt; in dieser Lage ist sein Gleichgewicht sicher, beständig oder stabil, denn wird er aus dieser Lage herausgebracht, so wird er durch die Schwerkraft immer wieder dahin zurückgeführt. Überhaupt sucht der Schwerpunkt eines Körpers die tiefstmögliche Lage einzunehmen, die dem stabilen Gleichgewicht entspricht.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 846.
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