Erste Ordnung: Die Lungenschnecken[223] (Pulmonata)

Alle Landschnecken und der größte Theil der die süßen Gewässer bewohnenden Schnecken athmen Luft. Der Mantel bildet in der Nackengegend eine Höhle, in welche durch eine bei den rechtsgewundenen und bei den nackten Wegeschnecken rechts liegende Oeffnung die Luft eintritt, und an deren oberer, dem Mantel angehörigen Wandung sich ein dichtes Netz von Blutgefäßen [223] ausbreitet. Man sieht diese Lungenöffnung bei jeder ungestört kriechenden Schnecke. Sie verengt sich und verschwindet, wenn man das Thier berührt und ins Gehäuse treibt; es dauert aber nicht lange, nachdem es sich zurückgezogen, so erscheint die Oeffnung wieder in der Nähe des Spindelrandes. Natürlich müssen die im Wasser lebenden Lungenschnecken zum Athmen an die Oberfläche kommen, und sie ersticken wie die Landschnecken, wenn man sie ihr Athembedürfnis nicht auf diese Weise befriedigen läßt. Die Athemnoth tritt bei den unter Wasser gehaltenen Thieren bald ein und sie schnappen unter Aufsperren des Lungeneinganges nach Luft, wiewohl bei dem weniger lebhaften Athmungsproceß der Tod besonders bei den Wasser-Lungenschnecken nicht so bald erfolgt.

Um die Uebereinstimmung der äußeren Körpertheile bei scheinbar höchst verschiedenen Gliedern dieser Ordnung zu erkennen, stelle man ein Exemplar einer Nacktschnecke (Limax) mit einer gehäustragenden Garten- oder Weinbergsschnecke (Helix) zusammen. Bei Limax ist der hintere Theil des Fußes nicht frei, sondern mit dem Schlauche verbunden, in welchem die Eingeweide enthalten sind. Dieser Theil des Hautschlauches ist es nun, welcher bei Helix spiralig sich windet und nicht aus dem Gehäuse heraustritt. Mit diesem ist der Körper nur durch einen Muskel, den Spindelmuskel, verbunden, welcher sich oberhalb der ersten Windung an die Spindel ansetzt und den Körper in die Schale zurückzieht. Mit ihm stehen noch andere im Vorderende sich verbreitende Muskeln in Verbindung, welche sich nur zum Theile, wie z.B. die zur Einstülpung der Fühler dienenden, bei den Nacktschnecken auch finden und das Zurückziehen oder Einstülpen des Kopfendes und der Schnauze vermitteln.

Um die Schnecken zu zergliedern, ist es am zweckmäßigsten, sie unter Wasser zu ersticken, oder sie auf zehn bis zwölf Sekunden in kochendes Wasser zu werfen, wobei man den Moment wahrnehmen muß, wenn sie vollständig ausgestreckt sind. Sehr unzweckmäßig ist es, sie in Spiritus zu tödten, weil sie darin zu sehr zusammengezogen werden. Die oben er wähnten Arten eignen sich am besten dazu. Die abgebrühten Gehäuseschnecken kann man, indem der Spindelmuskel sich losgelöst hat, leicht aus dem Gewinde herausdrehen. Man nimmt dann die Zergliederung unter Wasser vor, und auch der Laie wird, wenn er dieses einfache Hülfsmittel reichlich anwendet, nach einigen vergeblichen Versuchen sich über die wichtigsten Verhältnisse des inneren Baues Rechenschaft geben können. Wir brauchen bei diesem Beginnen eine bestimmte systematische Reihenfolge der Organe nicht inne zu halten, sondern fangen so an, wie es uns an der aus der Schale genommenen Weinbergsschnecke am bequemsten scheint. Eine feine Schere und zwei kleinere Pincetten reichen aus. Da wir schon am lebenden Thier das Athemloch kennen gelernt, gehen wir von ihm aus, und schneiden die Lungenhöhle auf. Verfolgt man den dicken, aus der Vereinigung vieler feineren netzförmig verbreiteten Gefäße hervorgehenden Gefäßstamm nach der linken Seite hinüber, so gelangt man zur Vorkammer und Kammer des in einem Herzbeutel eingeschlossenen Herzens. Am lebenden Thiere kann man leicht und ohne Quälerei, wovon wir durchaus kein Freund sind, ein Stück Schale so abbrechen, daß man das Herz schlagen sieht. Die vom Herzen ausgehenden Blutgefäße verfolgen wir nicht weiter, nachdem wir uns nur überhaupt überzeugt haben, daß das Herz das Blut aus dem Athemorgan empfängt und in den Körper weiter befördert. Man nennt ein solches Herz, welches alle Weichthiere haben, ein arterielles, während das Fischherz, durch welches das aus dem Körper gekommene Blut in das Athemorgan getrieben wird, ein venöses heißt. Lungenhöhle und Herz sind nun abgetragen, und wir trachten nun, den ganzen Verdauungskanal bloßzulegen. Da die Mundöffnung ebenfalls zweifellos ist, wird man bei ihr beginnen, nachdem man an dem vollkommen ausgestreckten Thiere die Haut des Vorderkörpers von oben her getrennt hat.

Die Mundhöhle ist von einer dicken, muskulösen Masse umgeben, welche man Schlundkopf nennt; oben über dem Eingange der Mundhöhle hinter der Lippe befindet sich ein fast halbmondförmiger geriefter Oberkiefer. Im Grunde der Mundhöhle aber liegt ein sehr [224] komplicirtes Organ, die Zunge, deren nähere und schwierige Zergliederung nicht hierher gehört. Sehr leicht aber wird auch der Ungeübte aus einer daran haftenden Scheide eine helle, durchscheinende Platte, die Reibeplatte, herausnehmen können, welche unter dem Mikroskope einen der zierlichsten Anblicke gewährt. Sie ist nämlich mit zahlreichen Querreihen von Zähnchen besetzt, zum größten Theile aus Chitin mit einiger Knochenerde bestehend. Sämmtliche Cephalopoden und Schnecken haben eine solche Reibeplatte, von deren Vorhandensein und Gebrauch man sich übrigens am besten bei unseren Wasserschnecken überzeugt. Hält man einige derselben in einem Glase, an dessen Wand sich nach einigen Tagen mikroskopische grüne Pflänzchen angelegt haben, so sind die Schnecken fast immer beschäftigt, mit der Zunge, welche sie aus- und einstülpen, diese ihre Nahrung abzulecken oder vielmehr abzureiben. Den Akt des Fressens beschreibt Johnston näher. Wenn ein pflanzenfressender Bauchfüßer mit Fressen beschäftigt ist, so treibt er die Stachelzunge vorwärts und entfaltet sie bis zu einer gewissen Ausdehnung, indem er zugleich die Lippe auf jeder Seite vorschiebt, wodurch die Zunge zusammengedrückt und löffelförmig wird.


Zahnreihe aus der Reibeplatte von 1 Limnaeus stagnalis, 2 Ancylus fluviatilis, 3 Succinea amphibia. Stark vergrößert.
Zahnreihe aus der Reibeplatte von 1 Limnaeus stagnalis, 2 Ancylus fluviatilis, 3 Succinea amphibia. Stark vergrößert.

Das Futter wird nun mit den Lippen ergriffen, vorwärts geschoben, mit der Stachelzunge gehalten und zugleich gegen den Oberkiefer gepreßt, wodurch ein Stückchen zuweilen mit hörbarem Geräusche abgebissen wird. Die einzelnen Bissen gleiten dann der Zunge entlang, werden durch deren scharfe Zähnchen zerrieben und zerfeilt und gelangen durch die peristaltische Bewegung des Organs sowohl, wie durch die widerstrebende Kraft der anliegenden Muskeln in den Magen. Diese Beschreibung paßt nicht nur auf unsere Lungenschnecken, sondern auch auf die Pflanzenfresser der folgenden Ordnungen, deren fleischfressende Mitglieder meist mit einem eigenthümlich organisirten, die Zunge enthaltenden Rüssel versehen sind. Die Wichtigkeit dieses Organes für das Leben der Schnecken liegt auf der Hand, und es ist wegen der Verschiedenheit der Zähnchenbildung in Uebereinstimmung mit der Nahrung und Lebensweise, und wegen der Leichtigkeit, mit der es sich aufbewahren und noch nach vielen Jahrzehnten, nachdem das Thier eingetrocknet, wieder auffinden läßt, für die neuere Konchyliologie ein vorzügliches Kennzeichen geworden. Hinter dem Schlundkopfe folgt der dünne Schlund, welcher in den einfachen Magen übergeht. Beim Aufschneiden einer eben getödteten Schnecke fallen zwei auf dem Magen aufliegende weiße und etwas unregelmäßige Lappen auf, die Speicheldrüsen, deren ebenfalls sehr deutliche Ausführungsgänge sich in die Mundhöhle öffnen. Gleich hinter dem Magen wird der Darm von einer grünlichen Masse, der Leber, umhüllt, in deren Substanz er einige Windungen macht, um dann, sich nach vorn und zur Rechten wendend, neben der Lungenhöhle in den Mastdarm überzugehen und neben dem Athemloche zu münden. Dort befindet sich auch die Mündung des Ausführungsganges der Niere, welche, von stumpf dreiseitiger oder bohnenförmiger Gestalt, neben dem Herzen liegt. Wie man sieht, sind die Apparate, durch welche die Schnecken das Glück stillvergnügter Gastronomen genießen, in schönster Ausbildung vorhanden.

Den wichtigsten Theil des Nervensystems, den Schlundring, legt man bloß, wenn man den Schlundkopf und Schlund sich zur Anschauung bringt. Man kann ihn beim Präpariren sehr grob behandeln, indem die an sich zarte Nervensubstanz von sehr festen Scheiden umgeben ist. Die Augen, auf dem Gipfel der großen Fühlhörner, wurden schon von dem großen Zergliederer der niederen Thiere, Swammerdam, sorgfältig beschrieben, ja zu sorgfältig, indem er der Weinbergschnecke sogar eine vor der Linse liegende wässerige Feuchtigkeit, wie im menschlichen Auge, [225] zuerkannte. Allein trotz der hohen Ausbildung dieser Augen will der ausgezeichnete Kenner der Landschnecken, von Martens, ihnen doch nur höchst geringe Leistungen zuschreiben. »Unseren Landschnecken«, sagt er, »können zwar von vergleichend anatomischer Seite die Augen nicht abgesprochen werden, aber ihre Sehkraft muß sich auf einen sehr geringen Grad beschränken und der allgemeinen Tastempfindung sehr nahe stehen, da sie an jedem Gegenstande mit ihren Augen anstoßen müssen, um Notiz davon zu nehmen; nie konnte ich an einer unserer Schnecken wahrnehmen, daß sie einen Gegenstand auch nur auf einige Entfernung gesehen hätte, selbst einem Limax rufus, den ich dicht neben einer beschatteten Stelle dem Sonnenscheine aussetzte, gelang es nicht, diese aufzufinden, obgleich er anfangs verschiedene Richtungen einschlug und wieder aufgab, offenbar einen ihm passenderen Aufenthalt suchend.« Auch Gehörwerkzeuge besitzt unser Musterthier, zwei Bläschen auf dem unteren Theile des Schlundringes, die man jedoch leichter bei anderen Schnecken, z.B. bei jungen Limnäen und Tellerschnecken, sieht. Wir können hier nachträglich bemerken, daß auch die Cephalopoden in dem das Gehirn umgebenden Knorpel recht ausgebildete Gehörorgane haben.

Wer bis hierher mit der Anatomie der Weinbergschnecke entweder selbst gekommen oder der zergliedernden Hand eines Fachkundigen gefolgt ist, hatte schon mehrere Kollisionen mit den mindestens ebenso reichlich wie der Verdauungsapparat ausgeprägten Fortpflanzungsorganen. Alle Lungenschnecken sind Zwitter, in denen die männlichen und weiblichen Organe in auffälligster Weise mit einander verflochten und verbunden sind. Am merkwürdigsten ist die Zwitterdrüse, ein traubiges, in den obersten Windungen in der Leber verborgenes Organ, in welchem in ein und denselben Drüsenabtheilungen sowohl die Eier wie der Same erzeugt werden. Die Geschlechtsöffnung befindet sich auf der rechten Seite des Halses unweit des großen Fühlers. Unter den gleich hinter ihr liegenden Theilen fällt ein dickwandiges sackförmiges Organ auf, der Pfeilsack, in dessen Innerem sich ein kalkiges Werkzeug in Gestalt eines Pfeiles, Dolches oder Stilettes bildet: der Liebespfeil. Von seinem Gebrauche unten. Sie sind bei den einzelnen Species von so charakteristischer Form, daß sie ein schätzbares Kennzeichen für die Systematik abgeben. Bei den meisten unserer Lungen-Zwitterschnecken findet eine gegenseitige Begattung und, wie man wohl annehmen muß, da die beiden Thiere sich durchaus gleich verhalten, auch gegenseitige Befruchtung statt. Es fehlt aber noch die direkte Beobachtung, ob beide Schnecken nach der gegenseitigen Begattung fruchtbare Eier legen. Warum eine innere Selbstbefruchtung nicht stattfindet, läßt sich auch nicht beantworten, denn die Antwort, daß eine Befruchtung nur auf dem Gegensatze der Individuen und der von ihnen gelieferten Stoffe beruhe, erklärt nichts, sondern ist eine Umschreibung der Thatsache, womit eine abgethane sogenannte Naturphilosophie sich selbst etwas weiß machte. Nur bei der Gattung Limnaeus der Wasser-Lungenschnecken fungirt das eine Individuum als Männchen, das andere als Weibchen, und sitzt ersteres auf diesem. Nicht selten aber wird während dieser Gelegenheit das erste Männchen für ein drittes Individuum zum Weibchen, und so fort, so daß sechs bis acht Individuen kettenartig vereinigt sind, wo dann das unterste bloß als Weibchen, das oberste bloß als Männchen, die mittleren in beiden Richtungen fungiren.

Wir werden zu erwarten haben, daß die Wasser-Lungenschnecken und die Land-Lungenschnecken hinsichtlich ihrer Lebensweise ähnliche durchgreifende Verschiedenheiten zeigen, wie überhaupt in dem Gegensatze ihres Aufenthaltes liegt. Ja derselbe wird sich hier um so mehr geltend machen, als diese Thiere eine so äußerst geringe Ortsbewegung ausführen, daß es ihnen unmöglich gemacht ist, durch Wanderungen oder schnellere Flucht sich den regelmäßigen oder zufälligen klimatischen Einflüssen und Unbilden zu entziehen, welche bekanntlich in weit höherem Grade auf dem Lande, als im Wasser sich geltend machen. Wir besitzen von dem schon wiederholt genannten von Martens, einem der Naturforscher der preußischen Expedition nach Ostasien, ein ausgezeichnetes kleines Werk über die Bedingungen und das Thatsächliche der geographischen Verbreitung der europäischen Land- und Süßwasserschnecken, aus welchem wir die meisten unserer Angaben schöpfen [226] werden. Es liegt also, wie gesagt, in der Natur gerade der Landschnecken, daß wir den Thatsachen und den Gesetzen ihrer Verbreitung eine besondere Aufmerksamkeit schenken. Die Wichtigkeit dieser Beobachtungen ist erst im letzten Jahrzehnte recht hervorgetreten, da sie für die moderne Frage nach dem Begriffe der Art und für die richtige Erkenntnis der jüngsten, unseren Erdtheil definitiv gestaltenden Vorgänge entscheidend werden zu sollen scheinen. Es ist daher schon hier, noch ehe wir uns mit Namen und Kennzeichen der Familien und Gattungen näher bekannt gemacht haben, einiges Allgemeine über jene Punkte mitzutheilen.

»Auch die Landschnecken bedürfen alle eines ziemlich hohen Grades von Feuchtigkeit zum thätigen Leben. Schutzlosere, wie die Nacktschnecken und die Arten der nur unvollständig bedeckten Gattungen (Testacella und andere), gehen in der Trockenheit bald zu Grunde, z.B. in einer Pappschachtel die kleineren Arten schon in vierundzwanzig Stunden. Auch die weitmündige Bulimus gallina sultana stirbt an nicht ganz feuchten Orten in wenigen Tagen. Ueberhaupt scheinen alle Arten mit glänzenden, durchscheinenden Schalen sehr viel Feuchtigkeit zu bedürfen. Auch alle behaarten Schnecken lieben die Nässe. Umgekehrt besitzen diejenigen Landschnecken, welche große Trockenheit auszuhalten haben, eine undurchsichtige, matte, fast oberhautlose Schale. Eine bunte Färbung des die Weichthiere umkleidenden Mantels ist auch für die im Feuchten lebenden Schnecken charakteristisch. Wahrscheinlich hängt dieser Charakter mit dem Durchscheinen der Schale zusammen, welche Licht bis zum Mantel gelangen läßt, während derselbe bei allen dickschaligen Schnecken einfarbig und in der Regel blässer, bei denjenigen dünnschaligen, welche nie an das Tageslicht kommen, wie bei den Vitrinen, einfarbig, aber dunkel ist.

Wenn auch die oben angedeuteten Schnecken tagelang die glühendste Sonnenhitze vertragen, so verleugnen sie doch insofern den allgemeinen Charakter der Mollusken nicht, als sie diese Zeit in Unthätigkeit, die Mündung fest angedrückt oder durch verhärteten Schleim geschlossen und durch beides vor Verdunstung geschützt, verbringen; erst in der Kühle der Nacht und der Feuchtigkeit des Morgenthaues kriechen sie umher. Jeder Schneckensammler weiß, daß des Morgens und nach einem Regen die meisten lebenden Schnecken zu finden sind. In Italien wird Helix adspersa zum Zwecke des Verspeisens nachts mit der Laterne gesucht, und in Spanien findet der Caracolero (Schneckensammler) beim frühesten Morgengrauen die große Helix lactea und Alonensis in großer Menge auf den dürrsten Sierren, während in der Mittagshitze der schwitzende Reisende nichts von den wohl verstecken entdecken kann. Selbst Helix desertorum (die Wüstenschnecke), welche Ehrenberg nebst einer Lichene und einer Spinne allein noch in der Wüste bei der Oase des Jupiter Ammon traf, lebt nicht ganz ohne Feuchtigkeit, was gerade durch das gleichzeitige Vorkommen einer Pflanze bewiesen wird, welche nur so lange sie durchnäßt ist wächst. Ebenso lange und so häufige Unterbrechungen ihrer Lebensthätigkeit wird sich auch die Schnecke gefallen lassen müssen, und sie hat dabei den Vortheil, stets dann zu erwachen, wenn ihr Futter aufgeweicht und saftig ist.«

Wir werden unten einige Beispiele anführen, wie die von der Feuchtigkeitsmenge geregelte Lebensweise der Lungenschnecken in bestimmtem Verhältnisse zur Schalenform und Mündungsweite steht. Hier dagegen ist das Nähere beizubringen über die Vorkehrungen der Thiere zum Ueberstehen trockener, heißer Zeiten. Wir folgen einem jüngeren, sehr aufmerksamen Beobachter, Döring. »Bevor das Thier«, heißt es in seiner Doktorschrift, »sich in diesen Ruhezustand begibt, verweilt es einige Zeit in dem vorderen Theile der Mündung und sondert hier an seiner noch mit der Luft in Berührung stehenden Körperfläche ein schleimiges Sekret ab, dessen äußere Fläche beim Verdunsten des Wassergehaltes ein zartes, allmählich sich nach innen etwas verdickendes Häutchen, das sogenannte falsche Epiphragma (im Gegensatze zu dem harten Winter-Epiphragma der Gruppe Pomatia), bildet, welches anfangs mit einer in seiner Stellung der Lungenhöhlenöffnung des Thieres entsprechenden Oeffnung versehen ist und nach dem Verschlusse derselben sich in Form einer zarten durchsichtigen Membran quer in die Mündung des Gehäuses legt und dadurch den inneren Raum [227] der letzteren von der äußeren Luft abtrennt. Fast nach der Vollendung dieses häutigen Gebildes, für welches wir, einen relativen Unterschied zwischen ihm und dem eigentlichen (Winter-)Epiphragma festhaltend, den Namen Pneumophragma1 vorschlagen, entleert sich das Thier allmählich des größten Theiles seines in der Respirationshöhle aufgespeicherten Luftvorrathes und zieht sich weiter nach innen zurück, den Umfang seines Körpers mehr und mehr zusammenziehend. Hierdurch entsteht in der Schale ein mit Feuchtigkeit geschwängerter Luftraum zwischen dem Pneumophragma und dem Körper des Thieres. Nicht selten gesellt sich zu dieser äußeren Membran noch ein zweites, tiefer im Inneren angebrachtes häutiges Gebilde, welches unter allen Umständen abgesondert wird, wenn die erstere durch mechanische Einwirkung irgendwie verletzt werden sollte, oder wenn, wie es häufig zu geschehen pflegt, dieselbe durch anhaltende Dürre spröde wird und sich mit kleinen Rissen durchzieht.

Wie sehr nun das Pneumophragma auch zweckentsprechend durch Dichtigkeit und Stärke ausgebildet sein mag, in keinem Falle wird es einen hermetischen Verschluß zwischen der Luftschicht im Inneren des Gehäuses und dem äußeren Medium herstellen. Durch Feuchtigkeitsverdunstung an seiner äußeren Fläche und durch das Wiederersetztwerden derselben durch den Wassergehalt der inneren Luftschicht entsteht, abgesehen von noch weiteren hierbei thätigen Diffusionserscheinungen, die bei der nicht ganz eingestellten Athmungsthätigkeit des ruhenden Thieres eine Erneuerung der zur Athmung nothwendigen Luft herbeiführen, ein stetig fortschreitender, wenn auch auf gewisse Grenzen beschränkter Feuchtigkeitsaustausch nach außen. Dieser wird durch die Säfte des Thieres unterhalten und verkleinert das Volumen desselben immer mehr. Man beobachtet daher, daß sich sein Körper immer mehr in die inneren Windungen der Schale zurückzieht, während dem entsprechend die innere Luftschicht an Volumen zunimmt. In dem gleichen Maße vermindert sich die vitale Thätigkeit des Thieres, indem sie den Charakter eines tiefen Schlafes annimmt. Die Bewegung des Herzens verringert sich sehr rasch, und die Thätigkeit der auf ein kleines Volumen zusammengedrängten Lungenhöhle ist auf ein Minimum beschränkt.

In diesem Zustande zu verharren ist das Thier so lange gezwungen, als in dem Wassergehalte der Atmosphäre keine Aenderung eintritt. Sobald aber die Spannung des Wasserdampfes wieder zunimmt, wie dies gewöhnlich bei bevorstehendem Regen mit einem tiefen Barometerstande parallel zu gehen pflegt, zeigt sich sehr bald eine gesteigerte Lebensthätigkeit des für derartige Erscheinungen höchst empfindlichen Organismus. Die durch Diffusion nach außen beständig austretende Feuchtigkeitsmenge wird in diesem Falle auf ein geringeres Maß reducirt werden, allmählich ganz aufhören und schließlich in eine entgegengesetzte Strömung umschlagen. Man bemerkt alsdann, daß der in die tieferen Windungen des Gehäuses zurückgezogene Körper des Thieres sich vergrößert und mehr und mehr nach der Mündung des Gehäuses sich vorschiebt, indem das Thier seine Lungenhöhle erweitert und, die in der Schale befindliche Luftschicht darin aufnehmend, sein Volumen vergrößert, bis es, mit seiner Körperfläche vor das Pneumophragma gelangend, dieses abstößt und aus dem Gehäuse hervortritt.«

Beziehen sich die obigen Beobachtungen über die für das Leben erforderliche Feuchtigkeit vorzugsweise auf die Land-Lungenschnecken, so liefern beide Gruppen, jene und die Wasserpulmonaten, interessante Belege über ihr Verhältnis zur Wärme und die Grade, bis zu welchen sie nach oben und unten ausdauern. Die Wärme ist ihnen im allgemeinen soweit zuträglich, als sie nicht austrocknend wirkt. In einzelnen warmen Quellen kommen einige Arten noch bei vierzig und mehr Grad Réaumur vor, andere sind im Ertragen des anderen Extrems ausgezeichnet. »Viele Schnecken«, sagt von Martens weiter, »können einen bedeutenden Kältegrad ertragen, namentlich die kleine nässeliebende Arion hortensis, A. tenellus und die Vitrinen, welche ich mehrmals mit erstarrenden Fingern unter der Schneedecke hervorgesucht habe; am Kesselberge beim Kochelsee in [228] Oberbayern fand ich am 24. December Helix rupestris und Clausilia parvula frei der Luft ausgesetzt an den nur durch ihre senkrechte Lage von Schnee freien Felswänden, auf gefrorenem Boden stehend, während ein Wasserfall daneben in seinen Eismassen das Bild eines Gletschers zeigte. Auch die nördlichsten Schnecken sind alle klein und dünnschalig; es scheint also, daß gerade keine große Masse und keine dicke Schale zum Ertragen der Kälte nothwendig ist, und diese selbst eher das Gegentheil bewirkt.« Wie sich nun im kalten und im gemäßigten Klima die Schnecken dem lebenfeind lichen Einflusse des Winters durch Bedeckelung und Vergraben entziehen, so verfallen die Landschnecken der trockenen Tropengegenden in einen Sommerschlaf, gleich vielen Reptilien und Insekten. Auch um diesen abzuhalten, graben sie sich ein oder suchen die Unterseite bergender Steine und Aeste auf.

Das dritte große Agens für die Verbreitung der Lebewesen, das Licht, ist doch von geringerem Einflusse als Feuchtigkeit und Wärme und wohl hauptsächlich von eingreifendem Einflusse in Begleitung jener beiden anderen Faktoren des Klimas. Besonders interessant ist der abändernde Einfluß, den Licht und Wärme zusammen auf die Färbung der Landschnecken ausüben. »Von den blassen, eher farblos als weiß zu nennenden Schalen der im Dunklen lebenden Schnecken gibt es alle nur möglichen Uebergänge zu dem durchscheinenden Braun der schattenliebenden Gebüschschnecken, und von diesem zu dem undurchsichtigen dichten Kreideweiß, welches alle Farben zusammenfaßt, und der bunten Zeichnung der die Sonne liebenden Landschnecken. – Nur wo das Licht zu grell und stark einwirkt, bleicht es, wie sonst nur die leeren Schalen, die Schnecken bei lebendigem Leibe. So finden sich an sehr sonnigen Stellen nicht selten ganz weiße, glanzlose Exemplare von Helix pomatia und hortensis lebend, welche in der Sammlung nur noch durch den Glanz der Innenseite der Mündung, wo die Schale stets mit den Weichtheilen in Berührung war, von verwitterten Stücken sich unterscheiden lassen. Helix desertorum, um Kairo und Alexandria braun, ist in der Wüste meist einfarbig weiß. Moritz Wagner fand Helix hieroglyphicula in Algerien unter dem Sonnenschirme von Cactus opuntia mit fortlaufenden, an sonnigeren Stellen stets mit unterbrochenen, stellenweise verlöschten Bändern, d'Orbigny den Bulimus derelictus auf den Gebirgen von Cobija in Bolivia mit lebhaften Farben geschmückt, dagegen an ihrem Fuße, wo die regenlose Gegend ihnen nur Kaktusstauden und Lichenen bietet, ganz einfarbig weiß, und ebenso seinen Bulimus sporadicus in den Pampas von Buenos Ayres einfarbig, in Bolivia an der Grenze der Wälder mit scharf ausgeprägten schwarzen Striemen ausgezeichnet.« Aus diesen und vielen anderen Beispielen geht hervor, daß die Landschnecken besonders geeignet sind zu zeigen, wie die Färbung direkt unter dem Einflusse des Lichtes steht. Es finden sich aber unter ihnen auch zahlreiche Beispiele für eine andere, auch in anderen Thierklassen beobachtete Thatsache, nämlich die Gleichfarbigkeit des Thieres mit seiner unmittelbaren Umgebung. Die Landschnecken sind vorherrschend erdbraun, die Vitrinen und Arion hortensis unter den nassen modernden Blättern sind so schwarz und glänzend wie diese. Wenn unser Gewährsmann hier den Erklärungsgrund, daß das reflektirte Licht in diesen Fällen die Wirkung hervorgebracht, nur mit großer Zurückhaltung gelten lassen will, so geben wir ihm Recht. Eine andere Erwägung aber, welche Haeckel in einem viel angefeindeten und viel gelobten Werke ausführt, und welche auf alle ähnliche Erscheinungen der Thierwelt sich ausdehnt, finden wir der höchsten Beachtung werth. Er sagt nämlich, daß man die Gleichfarbigkeit vieler Thiere mit ihren Umgebungen auch daraus erklären könne, daß gerade die so gefärbten leichter als die durch ihre Farbe abstechenden Individuen ihren Feinden entgehen müssen; es fände also fortwährend eine Ausmerzung der bunten Varietäten, eine Zuchtwahl der mit der Umgebung übereinstimmend gefärbten Exemplare statt, und damit eine allmähliche natürliche Erziehung der durch die Färbung am meisten geschützten und bevorzugten Varietät.

Da alle Schneckengehäuse kalkig sind, dieser Kalk sich nicht im Organismus aus anderen Elementen erzeugt, sondern als Kalk von außen eingeführt werden muß, so folgt von selbst, daß da, wo es absolut an Kalk fehlt, Gehäusschnecken nicht existiren können. Diese Abhängigkeit vom Kalke [229] ist natürlich auch bei den Landschnecken am auffallendsten. Für die Verbreitung, Massenhaftigkeit der Individuen, Festigkeit, Dicke und Dünne der Schalen sind daher der Kalkboden und die Kalkgebirge von höchster Bedeutung. »Die Verschiedenheit«, sagt Döring, »welche sich bei Individuen einer und derselben Art an Aufenthaltsorten von verschiedener geognostischer Beschaffenheit bemerkbar zu machen pflegt, ist größtentheils darauf hinauszuführen, daß diejenigen Individuen, welche auf kalkarmen Gesteinen (Granit und anderen) vorkommen, stets eine an organischer Substanz reichere und daher intensiver gefärbte, mehr transparente Beschaffenheit und stets eine geringere Stärke der Schale zeigen. Die zur Bildung der Perlmutterschicht nöthige Kalkmenge wird nicht nur aus der aufgenommenen Nahrung entnommen, sondern gleichzeitig von dem Thiere durch Benagen von kalkhaltigen Gesteinen oder, wo diese fehlen, von Gehäusen anderer Individuen derselben Art aufgenommen und resorbirt. Wo es nun, wie im Gebiete der granitischen Quarzgesteine, an leicht resorbirbaren Kalkverbindungen fehlt, findet das Thier nicht die Gelegenheit, reichliche Kalkmengen in seinen Körper aufzunehmen und kann daher die innere (Perlmutter-)Schicht nicht in derselben Stärke aufbauen, wie die Individuen der kalkreichen Formationen. Es tritt dadurch also, da bei den Individuen beider Aufenthaltsorte die an organischer Substanz reiche Oberhautschicht ziemlich gleichmäßig ausgebildet, die innere kalkreiche Perlmutterschicht dagegen ungleichmäßig stark ist, ein verschiedener procentischer Gehalt an organischer Substanz zu Gunsten der Individuen der primitiven Gebirgsformationen auf, wodurch dann gleichzeitig auch die Dünnschaligkeit der letzteren, ihre große Transparenz und intensivere Färbung ihre Erklärung findet.«

Ueber die Art, wie die Landschnecken, welche wir im Vorhergehenden hauptsächlich berücksichtigen und mit denen wir uns auch noch ferner specieller beschäftigen wollen, ihren Aufenthalt wählen, und wie und wo man sie zu suchen hat, lassen wir einen der Altmeister der Konchyliologie, den sinnigen Roßmäßler, sprechen. »Manche kriechen vorzugsweise an den Pflanzen umher, an denen die Unterseite der Blätter und die Astwinkel ihre Lieblingsplätzchen sind, andere ziehen es vor, auf und unter dem abgefallenen Laube sich aufzuhalten, noch andere führen ihr verborgenes Leben unter der dichten Moosdecke, welche Steine und Baumstämme überzieht, einige finden sich selbst unter großen Steinen in Gesellschaft der Regenwürmer und Tausendfüßer, wo man dann oft nicht begreifen kann, wie ein so zartes Thier mit seinem zerbrechlichen Hause unter die Last eines oft sehr großen Steines gelangen konnte. Ja manche Schnecken scheinen sich hier noch nicht völlig sicher geglaubt zu haben und führen ein in der That völlig unterirdisches Leben. Doch wir wollen diese Aufenthaltsorte der Schnecken nach einander etwas genauer kennen lernen.

Da die Nahrung der Schnecken (das heißt der Landschnecken) fast lediglich in vegetabilischen Substanzen besteht, so kann man schon hieraus schließen, daß sich die meisten auf Gewächsen oder wenigstens in der Nähe derselben aufhalten. Um auch hier erst im allgemeinen etwas anzugeben, so führe ich Pfeiffer an, welcher sagt, die meisten Schnecken fänden sich in Buchen-, weniger in Eichen- und Nadelholzwaldungen. Ich möchte dafür lieber sagen, daß Gegenden, die Laubholzwälder haben, in den Konchylienprodukten einen entschiedenen Vorzug vor denen haben, in welchen Nadelholz vorherrscht. Uebrigens hat sich nun meine Angabe, nach welcher ich in flachen Gegenden mehr Konchylien gefunden zu haben behaupte, auch hinsichtlich der Wälder bestätigt. Gebirgswaldungen habe ich immer weit ärmer an solchen gefunden, als flach und feucht gelegene Waldungen. – Hier leben die Schnecken nie in einer beträchtlichen Höhe der Bäume; sie ziehen im Gegentheile in denselben das niedrige Buschholz vor, oder sie halten sich auf den Waldkräutern oder am Boden auf. Ob die Schnecken in den Waldungen vorzugsweise gern auf gewissen Gesträuchen leben, habe ich noch nicht mit Bestimmtheit entscheiden können. Wenn ich oft diesen oder jenen Strauch, Gebüsch oder Hecke besonders von ihnen bevölkert fand, so schien dies mehr anderen Ursachen, als der Pflanzenart, die jene Gebüsche oder Hecken bildete, zugeschrieben werden zu müssen. Je dichter und schattiger ein Gesträuch, und je bedeckter und feuchter der Standort desselben ist, desto lieber ist es den Schnecken. Ganz besonders angemessen scheinen ihnen aber solche Büsche zu sein, etwa [230] vom Cornus sanguinea, Rubus, Acer, Corylus usw. (Hornstrauch, Brombeer, Ahorn, Haselnuß), die von den Schlingen des Hopfens berankt und von anderen hochwachsenden Kräutern sozusagen durchwachsen sind. Hier sitzen sie bei trockenem Wetter an der Unterseite der Blätter, oder sind in der Bodendecke verborgen, und wer sie hier nicht zu suchen weiß und sich nebenbei vielleicht scheut, in das Dickicht einzudringen, der würde glauben, hier sei keine Schnecke zu finden. Ueberhaupt muß man, je trockener und wärmer die Witterung ist, die Schnecken desto tiefer am Boden suchen. Wie viele Schnecken aber um und an einem solchen eben beschriebenen Gebüsche sich aufhalten, von denen man bei trockenem Wetter nur wenig entdeckt, das wird nach einem warmen Regen recht sichtbar. Dann kriecht alles aus den Schlupfwinkeln hervor, um sich an den hangenden Tropfen und der duftigen Kühle zu laben, und man wird eine reiche Ernte haben, wenn man sich nicht vor den fallenden Tropfen, den kratzenden Dornen und brennenden Nesseln scheut.

Hat man die Aeste und Blätter solcher Gesträuche aber abgesucht, so unterlasse man nicht den Boden um dieselben, der gewöhnlich mit Moos, Steinen und abgefallenem Laube bedeckt ist, sorgfältig zu untersuchen, indem manche seltene Schnecke hier lebt und selten an das Tageslicht sich erhebt, wohin namentlich die Vitrinen zu rechnen sind. Ziemlich ähnlich solchen Gebüschen sind die lebenden Hecken hinsichtlich des Vorkommens von Schnecken. Namentlich die Hecken feucht und tief gelegener Gärten pflegen sehr, namentlich nach einem Regen, bevölkert zu sein. In Gärten gibt es aber noch mehrere Stellen, an denen man mit Erfolg Schneckensuchen kann. Die Buxbaumeinfassungen der Beete dienen namentlich während einer warmen und trockenen Witterung denselben zum kühlen Aufenthaltsorte; ferner die von Unkraut und anderem Geniste nicht ganz gesäuberten Winkel; die Orte, wohin man das ausgeraufte Unkraut zu werfen pflegt: kurz alle winkeligen, dunklen und feuchten Orte. Daher unterlasse man in einem Garten nicht, jedes lange auf einer Stelle gelegene Bret aufzuheben, wenn man nicht die Schnecken entbehren will, die sich hier unfehlbar auf der Unterseite des Bretes finden werden. Man kann daher mittels solcher, gewissermaßen als Fallen an dunkele, feuchte Stellen gelegter Breter die Schnecken anlocken und fangen.

In Laubhölzern pflegt der Boden gewöhnlich mit einer Decke von abgefallenem Laube, Moos, Steinen und abgebrochenen Aestchen bedeckt zu sein. Hier halten sich auch eine große Menge Schnecken auf, die man mit Bequemlichkeit sammeln kann, wenn man zuerst die Oberseite dieser Decke und die niederen Pflanzen absucht und dann das Laub wegräumt, um sich der unter ihm lebenden Schnecken zu bemächtigen. Dabei unterlasse man nicht, jeden etwas großen Stein umzuwenden, weil manche Schnecken besonders gern unter denselben leben. Oft sind solche Steine oder alte Baumstöcke mit einer dichten Moosdecke überzogen; diese kann man mit leichter Mühe in großen Polstern abnehmen, und so manches Schneckchen entdecken, das hier im Verborgenen lebt.

Weil wir einmal noch im Walde sind, so dürfen wir nicht vergessen, die alten halbverfaulten Stöcke, die oft hier stehen, oder alte hohle Bäume genau zu untersuchen. In und auf ihnen leben viele Schnecken, namentlich Clausilien, Pupa und Vertigo. Von recht alten Stöcken oder alten Bäumen läßt sich, namentlich bei feuchter Witterung, die Borke leicht in großen Schalen ablösen, und auch hier, in dem engen Raume zwischen Borke und Holz, lebt manche seltene Schnecke, namentlich aus der Gattung Vertigo und Carychium. Hat man Gelegenheit, felsige Gegenden zu durchsuchen, so wird man meist durch manche hübsche Schnecke belohnt. Vorzüglich kommen auf der Abend- und Morgenseite, die gewöhnlich am längsten feucht sind, und in den Ritzen, zumal wenn diese mit etwas Moos und Flechten bekleidet und von herabtropfendem Wasser befeuchtet sind, viele Schnecken vor, vorzüglich einige Arten aus den Geschlechtern Helix und Clausilia.«

Fußnoten

1 Etwa mit »Luftdeckel« zu übersetzen. O.S.


Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 223-231.
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Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

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