Alter-Weiber-Sommer

[368] Alter-Weiber-Sommer (Fliegender Sommer, Sommerflug, Aetas volitans), seines Spinngewebe, welches vorzüglich im Spätsommer die Felder überzieht, sich bisweilen losreißt, verwickelt u. durch die Luft fliegt. Hulse u. Lister scheinen die ersten Naturforscher gewesen zu sein, welche über denselben im 18. Jahrh. Beobachtungen anstellten. Der Erstere wollte bemerkt haben, daß die Spinnen ihre Gewebe in die Luft schossen, der Letztere, daß sie außerdem auf demselben in der Luft herumschwömmen; auch White u. A. wollten bei schönem Herbstwetter diese Spinnen ihre Gewebe ausschießen u. darauf fortreiten gesehen haben. Andere, z.B. Lamarck, meinten jedoch, eine so große Menge von Fäden, die so plötzlich an heiteren Tagen erscheinen, könnten nicht von Spinnen hervorgebracht werden, wenn ihre Zahl auch noch so groß wäre, u. wollte sie daher von Pflanzenausdünstungen herleiten, welche sich in der Luft verdichteten u. niederfielen. Bechstein bemerkte, daß eine besondere, glänzend schwarzbraune Spinne von der Größe eines Stecknadelkopfes, Sommerfädenspinne (Aranea obtextrix s. extensa Deg.), im October u. November auf Stoppelfeldern die bekannten Gewebe anfertige, überwintere u. bei sonnigem Wetter im März wieder hervorkomme, um die Felder, Hecken etc. aufs Neue mit Fäden zu überziehen. Strack zu Werthheim bestätigte dies u. behauptete, daß sich die Gewebe nur durch Wind u. Wetter losreißen, wahrscheinlich auch, weil sie durch die Sonne verkürzt werden. Durch ihre Leichtigkeit steigen sie dann auf u. nehmen zufällig einige Spinnen mit, weshalb man die Spinne auch Luftschiffer (Aranea aëronautica) genannt hat. Übrigens meint er, daß sie ihre Fäden auf gewöhnliche Weise, wie andere Spinnen, ziehen, nicht aber in die Luft schießen. Wahrscheinlich gibt es mehrere Arten, welche den A. W. S. verursachen. Der A. W. S. erscheint in ganz Europa; 50 Spinnen überziehen in 10 Minuten einen großen Feldstein nach allen Richtungen hin u. wenn sich die Gewebe loslösen, sagt der Landmann im Frühjahr: der Sommer kommt an, im Herbste, wo sie häufiger sind: der Sommer zieht weg. Die Alten erwähnen den A. W. S. nicht; der Engländer Chaucer (st. 1400) besang ihn. Nach Strack ist übrigens die Spinne ausgewachsen 11/4 ''' lang, der Hinterleib ist oval, oben dunkelkupferbraun, mit 2 weißen, zackigen Streifen, ganz nackt, unten weißgrau, sein behaart, Brust u. Kopf glänzend schwarz.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 368.
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