Boraxsäure

[86] Boraxsäure (Borsäure, BO3 Acidum boracicum, Salsedativum, Sedativsalz), zufällig zuerst von Becher im Borax unterschieden, doch eigentlich erst durch Homberg 1702 genauer bekannt, durch Calcination des Borax mit Eisenvitriol gewonnen: Sal volabile vitrioli narcoticum, später allgemein als Hombergs Sedativsalz genannt, erst in neuerer Zeit als Säure anerkannt. Sie kommt natürlich vor, am reinsten auf der Insel Vulcano in einer Felsenhöhle, woraus heiße Quellen entspringen, Decke u. Wand derselben sind in mehrere Zoll starken Lagen damit überzogen; kommt auch in einigen Seen in Toscana, bes. bei Cherlajo u. Castell nuovo vor, wo sie zu 0,02 einen Bestandtheil des Wassers bildet; in diesen Gegenden kommen Dampfquellen (Suffioni, s.d.), aus Wasser u. B-dämpfen bestehend, zu Tage; diese Quellen, zuerst von Lardarelle als zur Boraxgewinnung praktisch nutzbar erkannt, gaben den Fabriken Payens im Jahre 1841 ihren Ursprung, nachdem des Ersteren Versuche mißlungen waren; Payen umgab die Quellen je mit einem kesselförmig ausgemauerten Bassin, leitete Quellwasser in dasselbe u. erhielt auf diese Weise eine B-lösung. Mehrere Quellen verband er durch Röhrenleitung untereinander, ließ von der am höchsten gelegenen die kochende Lösung der B. nach 24 Stunden in das zweite, von dieser nach 24 Stunden in das dritte, dann in das vierte Bassin u. endlich auf bleierne Pfannen laufen, auf welchen die Abdampfung unter Erhitzung mittelst der Dämpfe einer in der Nähe befindlichen Dampfquelle ohne Anwendung von Brennmaterial vor sich geht. Ist die Lösung hinlänglich concentrirt, so wird sie in die Krystallisirgeräße (vgl. Borax) abgeleitet. Die gewonnenen Krystalle kommen, in Fässer verpackt, über Livorno in den Handel. Im ersten Jahre gewannen die von Payen angelegten Fariken 15,000 Centner B. Die B. kommt auch (aber nicht rein) in Sassolin, BO3, 3HO, der in Körnern u. nadelförmigen Fäden am Rande der heißen Quellen bei Sasso, auch sonst im Florentinischen, vor. Letzterer ist selten rein, sondern hat auf 86 Theilen schwefelsauren Mangans u. 3 Theilen schwefelsauren Kalk u. Spuren von Eisenoxyd u. Thonerde. Außerdem kommt die B. vor in den Mineralien Tinkal (s. Borax), Boracit, Axinit, Datolith u. Botryolith. Künstlich wird sie aus dem Borax dargestellt, indem man einer heißen Lösung desselben Schwefelsäure (auch Salpeter- od. Salzsäure) abdampft u. krystallisirt. Diese krystallinische B. (Boraxsäurehydrat) bildet weiße, perlmutterartig glänzende, fertig anzufühlende Blättchen, die sich in 6–8 Theilen kochenden Wassers, auch in 5 Theilen siedenden Alkohols auflösen, der dann mit schöner grüner Flamme brennt u. Kurkumepapier bräunt. aber in einer andern Schattirung gis die Alkalien. Schwefelsäure löst sie reichlich auf, bildet, damit gesättigt, eine zähe Masse wie Terpentin, aus welcher Wasser einen Theil B. abscheidet. Wasserfreie B. erhält man durch Schmelzen im hessischen od. Platintiegel bis zum ruhigen Fließen. Sie bildet nach dem Erkalten ein farbloses, durchsichtiges, hartes, sprödes Glas u. ist vollkommen feuerbeständig. Sie zerlegt in der Glühhitze die meisten Salze mit Ausnahme der kieselsauren. In beiden Zuständen ist sie geruchlos u. von schwachsauerm, biterlichem Geschmack; bildet mit verschiedenen Säuren Doppelsäuren, mit Basen aber boraxsaure Salze. B. findet in der Technik nur zur Darstellung von Borax (s.d.) Anwendung. Mit Alkohol brennt sie mit zeisiggrüner Flamme.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 86.
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