Kaschmir [2]

[355] Kaschmir (Gesch.). Die Sage läßt das Thal von K. früher einen See gewesen sein, welcher durch Durchstechung des Berges Borawell trocken gelegt wurde. Letztere wird von den Muhammedanern dem Könige Salomo, von den Brahmanen dem Heros Kandrihab zugeschrieben. Mehrere, namentlich unter den älteren Theologen, suchen in K. das Paradies der Bibel u. den Ausgangspunkt des Menschengeschlechts, insbesondere des Indogermanischen Stammes. Bis in das 16 Jahrh. hatte K. seine eigenen Könige aus Hindustamm; sie waren Brahmadiener, bis 1315 durch Schems-ed-Din der Islam eingeführt wurde. Die Geschichte der brahmanischen Könige ist, in dem Radscha-Tarangini, einem chronikartigen Dichtwerke in Sanskrit, besungen. Im Jahr 1586 wurde die einheimische Dynastie durch Akbar vernichtet, welcher das Land mit dem Mogulreiche vereinigte. Es blieb bei demselben bis es 1752 von dem Begründer des Duranireichs unterworfen wurde. Unter afghanischer Oberherrschaft wurde K. von einem Hekim als Statthalter, dem eine Armee von 10,000 Mann zur Seite stand, despotisch regiert; von den Einkünften gingen fast 2 Mill. Rupien nach Kabul. Im Jahr 1819 wurde K. den Afghanen durch die Sikhs unter Runjit-Singh entrissen u. seitdem durch einen Statthalter des Maharadscha regiert. Nametlich unter der barbarischen u. drückenden Herrschaft der Afghanen kam das einst so blühende Land, welches unter der Mogulherrschaft noch 2 Mill. Einwohner zählte, herab. Als in Folge der inneren Zerwürfnisse, welche nach dem Tode Runjit-Singhs (1839) entstanden, die angloindische Regierung einen Angriff auf das Reich der Sikhs unternahm, wurden im Vertrage von Lahore die Berglandschaften zwischen Beas u. Indus, einschließlich K., zur Entschädigung für die aufgewendeten Kriegskosten an die Briten abgetreten, welche jedoch diese Gebiete am 11. März 1846 dem Ghulab-Singh als selbständiges Maharadschathum überließen, wogegen dieser 1 Mill. Pfund Sterl. zahlen, sowie durch Entrichtung eines jährlichen Tributs u. Bereithaltung einer Streitmacht, sein Vasallenverhältniß zur angloindischen Regierung bekunden mußte. Ein Aufstand, der bald darauf gegen den neuen Herrscher auf Anstiften des Scheichs Imam-ed-Din ausbrach, wurde bereits am 31. Octbr. 1846 durch die Unterwerfung des Letzteren beendigt. Nach Einverleibung des Pendschab in das Angloindische Reich (29. März 1849), verblieb K. nebst Jamu dem Ghulab-Singh, welcher um diese Zeit (eine seitdem verminderte) Streitmacht von 1200 Mann Artillerie, 1972 Mann Cavallerie u. 20, 418 Mann Infanterie aufstellen konnte. Ghulab-Singh starb Anfang 1859 u. vererbte sein Reich, das er durch mehrere Nachbarlandschaften vergrößert hatte, auf seinen Sohn. Vgl. von Hügel, Kaschmir u. das Reich der Sikhs, Stuttg. 1840 f., 4 Bde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 355.
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