Leydner Flasche

[329] Leydner Flasche (Kleistsche Flasche, Verstärkungsflasche), ein zum elektrischen Apparat gehöriges Stück, welches bes. die Vertheilung u. Anhäufung der Elektricität veranschaulicht. Sie besteht aus einem etwa 10 bis 12 Zoll hohen cylindrischen Glasgefäße, das innen u. außen mit undurchlöcherten Goldplättchen od. Stanniol (Belegung) beklebt ist, so jedoch, daß ein etwa 1 Zoll breiter Rand des Glases, der dann gewöhnlich lackirt wird, von der Belegung frei bleibt u. in dessen Mitte ein oben in einen Knopf übergehender, unten in mehre Arme getheilter Draht steht. Doch kann man auch jedes beliebige andere Glasgefäß dazu benutzen, wenn man es mit Eisenfeile füllt, außen bis auf den zu lackirenden Rand mit Stanniol beklebt, die Mündung mit einem Kork schließt, durch welchen der oben mit der Kugel versehene Draht bis zum Boden herabgeht. Soll nun die L. F. elektrisch geladen werden, so faßt man sie außen an u. nähert den Knopf des Drahtes dem Conductor einer in Bewegung gesetzten Elektrisirmaschine, wodurch sich auf der inneren Fläche + , auf der äußeren – Elektricität anhäuft. Durch die, auf den inneren Beleg strömende + Elektricität wird nämlich nach den Gesetzen der Vertheilung die – Elektricität des äußeren Belegs angezogen, die + Elektricität abgestoßen. Während nun die letzte durch die Hand nach der Erde entweicht, bleibt die erste gebunden zurück u. wirkt wieder anziehend, also bindend auf die + Elektricität des inneren Belegs, so daß eine größere Quantität hinzuströmen kann. Die Ladung[329] der L. F. kann so weit fortgesetzt werden, bis die Spannung, d. h. die gegenseitige Anziehung der entgegengesetzten Elektricitäten, so groß ist, daß sie sich über den Glasrand hinweg unter einem Schlage vereinigen (Selbstentladung). Diesen Grad der Spannung kann man vor dem Eintritt der Selbstentladung durch ein auf dem Conductor der Elektrisirmaschine, mit welchem die L. F. in Berührung steht, befindliches Henleysches Elektrometer erkennen. Vollständiger noch kannman das Maß der Ladung mittelst der Laneschen Maßflasche erkennen. Dieselbe besteht in einer L. F., bei welcher der Kugel des inneren Belegs eine in beliebige Entfernung zu rückende, mit dem äußeren Beleg in leitender Verbindung stehende Kugel gegenübersteht, so daß immer bei einer bestimmten, verhältnißmäßig geringen Spannung eine Selbstentladung erfolgt. Von derjenigen L. F. nun, deren Ladung man messen will, bringt man nun den äußeren Beleg in leitende Verbindung mit dem inneren Beleg der Laneschen Maßflasche, isolirt es aber im übrigen. Während man nun die Elektrisirmaschine in Bewegung setzt u. dadurch das Innere der L. F. positiv ladet, entweicht die abgestoßene positive Elektricität des äußeren Belegs nicht nach der Erde, sondern nach dem inneren der Laneschen Maßflasche, u. der Anzahl der Selbstentladungen dieser letzteren wird die innere Ladung der ersten L. F. proportional sein. Verbindet man mehrere L. F-n durch abgerundete Metallstäbe, die von einem Draht zum andern gehen, u. dadurch unter einander, daß man sie in einen mit Stanniol ausgelegten Kasten stellt, so erhält man eine elektrische Batterie, welche wie eine einzige sehr große L. F. zu betrachten ist. Die Kraft einer solchen Batterie nimmt bei einem gleich dicken Glase im Verhältniß der belegten Oberfläche zu; dünngläserne Flaschen lassen sich daher stärker laden, als dickgläserne. Das Entladen einer od. mehrerer L. F-n kann entweder bei geringerer Quantität von Elektricität durch Berührung des Knopfes mittelst eines Fingers u. dergl. od. mittelst des Ausladens geschehen. Die leitende Verbindung (Verstärkungskreis, Erschütterungskreis) beider Seiten der Flasche kann auch aus Leitern verschiedener Art bestehen; doch nimmt der Schlag immer seinen Weg durch die besten Leiter; wenn z.B. ein weiter Kreis sich fassender Menschen die Verbindung bewirkt u. diese auf feuchtem Boden stehen, so fühlen die mittleren den Schlag nicht, indem derselbe den kürzeren u. leichteren Weg durch den feuchten Boden nimmt. Wird der Verbindungskreis durch unvollkommene Leiter unterbrochen, so entstehen nur anhaltend widerlich einwirkende, aber nicht erschütternde Funken. Oft entladet sich eine L. F. beim Versuch nur theilweise, u. es bleibt ein Überrest, der noch einen zweiten beträchtlichen Schlag gibt. Von Kleist, Dechaut in Kamin, erfand die L. F. Musschenbroek in Leyden aber machte den Versuch ebenfalls, Allamand daselbst theilte ihn Nollet mit, der ihr dann gedachten Namen gab.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 329-330.
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