Manu [1]

[845] Manu (Menu), 1) in der indischen Mythologie Stammvater des Menschengeschlechts; 2) Stifter des Reichs Ayodhya, erster König u. Gesetzgeber her Inder, der mythische Verfasser des ältesten indischen Gesetzbuches, des Manavadharmadschastram, das jedoch erst im 3. od. 2. Jahrh. v. Chr. abgefaßt zu sein scheint, als der Brahmanismus seine vollständige Ausbildung erhalten hatte. Das Gesetzbuch (Dschâstram) des M. behandelt das Recht nicht im beschränkten Sinn, sondern sucht in der Kürze die ganze sociale Weltordnung (Dharma) vom Brahmanischen Gesichtspunkte m kurzen rythmischen Sprüchen aus darzulegen. Es beruht zum Theil auf altern Gesetzbüchern u. erfuhr (nachdem der Haupttheil um die erwähnte Zeit abgefaßt u. das Ganze redigirt war), mancherlei Interpolationen, bevor es in der jetzt vorliegenden Form durch Commentare fixirt wurde. Es zerfällt in 12 Kapitel, deren erstes die Schöpfungsgeschichte u. ein Inhaltsverzeichniß enthält; das zweite Erziehung, das dritte Heirath, das vierte Ökonomie, das fünfte Lebensweise im Hause, das sechste über das Anachoretenleben (alles fast nur in Bezug auf die Kaste der Brahmanen); ferner das siebente Regierung, das achte u. neunte Recht; das zehnte über Kastenmischung,[845] das elfte über Sünde u. Buße, das zwölfte Seelenwanderung u. endliche Freiheit (Môksha). Die verschiedenen Theile des darin niedergelegten Rechts werden theils durch Commentatoren, theils durch eine Menge einzelne Werke weiter entwickelt. Das Gesetzbuch des M. wurde seit 1813 öfter in Calcutta gedruckt; ins Englische wurde es bereits von Jones (Calc 1794), ins Französische von Loiseleur-Deslongchamps (mit Text, Par. 1833, 2 Bde.) übersetzt. Die berühmtesten Commentatoren sind: Medhatithi, Raghavananda u. Govindaraja.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 845-846.
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