Selbstbefreiung eines Gefangenen

[805] Selbstbefreiung eines Gefangenen, die von einem Untersuchungs- od. Staatsgefangenen mittelst eigener Thätigkeit bewirkte Lösung seiner Hast durch Sprengung der ihn haltenden Bande, Aufbrechung des Gefängnisses, Überwältigung der Wärter etc. Die einfache Selbstbefreiung gilt nach den neueren Strafgesetzen durchweg als straflos, indem anerkannt wird, daß die Bethätigung des jedem Menschen innewohnenden Selbsterhaltungstriebes noch keinen Grund zu einer Bestrafung bieten dürfe. Doch wird hierdurch die Anwendung von disciplinaren u. solchen Mitteln, welche darauf berechnet sind, ein nochmaliges Entweichen zu verhüten, z.B. Anlegung von Fesseln, geschärftem Arrest etc. nicht ausgeschlossen. Criminell strafbar wird aber die S. alsdann, wenn sie entweder mit Gewalt od. im Complotte geschieht. Im ersteren Falle drohen die neueren Strafgesetze entweder Gefängniß bis zu 6 Monaten od. einfach die Strafe der Gewaltthätigkeit (Crimen vis, s.d.) an. Concurriren damit noch andere schwerere Verbrechen, wie z.B. Tödtung, Körperverletzung od. Brandstiftung, so tritt die Strafe dieser Verbrechen ein. Der andere Fall, welchen die Gesetze wohl auch Meuterei (s.d.) nennen, wird von den meisten Gesetzen gleich dem Aufruhr bestraft; andere drohen auch hier längere od. kürzere Freiheitsstrafen an.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 805.
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