Arrest [1]

[758] Arrest (lat. Arrestum), der auf Befehl einer Behörde äußerlich beschränkte Zustand der natürlichen Freiheit einer Person od. des Sachenverkehrs; 1) in criminalrechtlicher Beziehung entweder Strafarrest (s. u. Strafe) od. Defentionsgefängniß (Custodia), Untersuchungsarrest, s. u. Verhaftung; 2) im Civilrechte: a) als Zwangsmittel zu Vollstreckung eines Erkenntnisses: aa) die Beschlagnahme eines Gegenstandes; bb) die Einweisung in die Güter des Schuldners (Immissio in bona) zur Erlangung eines Pfandrechts, s. unt.; cc) die bürgerliche Gefängnißstrafe, welche der Gerichtsbrauch gegen das kanonische Recht eingeführt hat. Sie unterscheidet sich vom Straf-A. durch die Vollziehung auf Antrag u. Kosten des Gläubigers mit milderer Behandlung in einem von Straf- u. Polizeigefängnissen geschiedenen Locale, unter denen Old Bailey in London u. Rue de Clichy (früher St. Pelagie) in Paris wegen ihrer Größe u. Freiheit im Innern am berühmtesten sind. Am frühesten u. härtesten findet sich im alt-römischen Rechte der bürgerliche A. (Manus injectio), zunächst für Darlehen durch die Zwölf Tafeln eingeführt, indem der Gläubiger gefesselt, 2 Monate gefangen gehalten u. als Manicipium behandelt werden konnte. Bei mehreren Gläubigern fand Vertheilung seines Besitzes unter dieselben (Sectio in partes) statt, welche durch die Lex Petillia Papiria aufgehoben worden ist. Das ganze Verfahren fiel unter Constantin weg. Savigny, Über das alt-römische Schuldrecht, Berl. 1834. In Deutschland findet die Hülfsvollstreckung in die Person vorzüglich statt in Folge der Wechselstrenge als Wechsel-A. Auch für andere Forderungen ist der Personal-A. durch die Preußische Gerichtsordnung gestattet, durch Gesetz von 1839 für dieselbe Forderung aber auf 5 Jahre beschränkt. Während nach altem Sächsischen Rechte der Schuldner dem Gläubiger an die Hand od. Halfter gegeben wurde, ist der dafür eingeführte Schuldthurmsproceß auch meist abgeschafft, im Königreich Sachsen durch Mandat vom 15. Juni 1831, wo dagegen ein sechsmonatlicher Gefängnißzwang zur Vornahme persönlicher Handlungen nachgelassen ist. In Frankre ich besteht Personal-A. (Contrainte par corps) in ziemlicher Ausdehnung, jedoch nicht in Sachen unter 300 Fr., auch muß ausdrücklich darauf erkannt werden. Das Verfahren ist durch Gesetz vom 17. April 1832 genau bestimmt. Nach Englischem Rechte kann der Beklagte in Sachen über 10 Pfd. Sterl. schon bei der Ladung auf die Klage in A. gebracht werden, als besondere Bürgschaft (Special bail) seines Erscheinens, wenn er dafür keine gemeine Bürgschaft (Common bail) leisten kann. Als Hülfsvollstreckung wegen einer Geldschuld kann der A. des Schuldners durch ein sogenanntes Writ capias ad satisfaciendum bis zu deren Bezahlung mit Kosten u. Schäden erfolgen. Beträgt sie nicht über 300 Pfd. Sterl. u. der Schuldner tritt seine Habe ab, so wird der A. blos auf ausdrückliches Verlangen des Gläubigers fortgesetzt, so lange dieser für den Schuldner am ersten Tage jeder Woche 3 Shill. 6 P. erlegt, außerdem Letzterer sofort frei wird. Nur bei einigen Forderungen, namentlich der Krone u. in Handelssachen, kann neben der Hülfsvollstreckung in die Güter auch zugleich persönlicher A. eintreten, welches Verfahren Extent (Extendi facias) heißt. b) Als Sicherungsmittel vor erlangtem Erkenntniß (Kummer Beschlag. Verkümmerung). Das Gericht kann zur Sicherung fremder Ansprüche aa) den Aufenthalt Desjenigen, gegen welchen der A. ausgebracht wird (Arrestat), auf einen bestimmten Ort beschränken, Personale A. (Arrestum personale), z.B. bei Flucht des Schuldners od. deren Gefahr (s. oben); bh) denselben in der Handlungsbefugniß über sein Vermögen, Real-A. (Arrestum reale), od. cc) in beidem zugleich, gemischter A. (Arrestum mixtum), beschränken. Die Arrestanlage kann als Nebenpunkt eines anderen Processes od. für sich eingeleitet werden, u. das Verfahren darüber, der Arrestproceß, beginnt mit dem Arrestgesuch, in welchem der Gläubiger, auch Arrestant genannt, seine Forderung u. die Ursache seines Gesuchs bescheinigt, welche letztere in der drohenden Gefahr besteht, seine Ansprüche bei veränderten Umständen nicht od. mit großer Erschwerung verfolgen zu können, als bei Flucht od. Abreise namentlich eines Ausländers, bei Vermögensverschwendung, od. bei verweigerter Justiz des ausländischen zuständigen Gerichts. Auf genaue Angabe der Art u. des Gegenstandes des A-s ist über die A-anlegung, als mit der Execution beginnend, nur mit größter Vorsicht Entschließung zu fassen, indem deren Übereilung od. unrechtmäßige Verweigerung den Richter der Injurien-, Syndicat- u. Schadenklage (bei Personal-A. der Sachsenbuße) aussetzen. Gesandte sind von allem A., active Staatsdiener vom Personal-A. befreit. Bei Gewährung des Gesuchs erläßt der Richter das Arrestmandat, wodurch bei Personal od. Real-A. dem Gerichtspersonal die Beschlagnahme[758] der Person od. Güter des Schuldners vorgeschrieben; od. einem Dritten deren Herausgabe, bei Strafe des Ersatzes, untersagt; od. die Auszahlung einer Forderung, bei Strafe doppelter Zahlung (Praeceptum de non solvendo); od. dem Schuldner Veräußerung u. Verpfändung des Seinigen, bei Strafe der Nichtigkeit verboten wird (Praeceptum de non alienando). Dann werden die Parteien von dem A-mandat benachrichtigt, auch ein Termin festgesetzt, bis zu welchem der Gläubiger das A-gesuch näher rechtfertigen, der Schuldner dagegen einkommen kann, z.B. durch andere Cautionsbestellung, worauf vom Richter die Bestätigung od. Aufhebung des A-s erkannt wird. Dem Römischen Rechte unbekannt ist diese Art des A-s durch Gerichtsbrauch u. Reichsgesetze eingeführt u. in die Landesgesetzgebung übergegangen. c) Zu Erlangung eines Pfandrechts; der Sächsische A. (Arrestum iuris Saxonici), welcher aus dem Königreich Sachsen, wo er durch Proceßordnung von 1724 bereits aufgehoben worden, in die Gesetzgebung anderer Länder, namentlich des Sächsischen Rechts, übergegangen ist. Mit dem Gesuche auf A-anlage beginnt das Pfandrecht für den Gläubiger zu laufen, welchem über dessen Anbringen daher ein Recognitionsschein vom Richter ertheilt wird, während die Fortstellung u. Rechtfertigung des A-s weiterem Verfahren unterliegt. 3) (Kriegsw.), die Festhaltung, auch wohl Einsperrung eines Soldaten, um sich seiner zu versichern, od. um wegen eines Vergehens zu bestrafen (Straf-A.). Er ist bei Offizieren Stuben-A., wenn dem Verhafteten nur verboten ist, auszugehen, u. der Degen an den Commandeur abgegeben ist; Wach-A., wenn sich der Offizier auf der Wache befindet; bei Soldaten aber, außer dem Stuben-A., leichter A., wenn sie nur in der Wachstube verhaftet sind; Mittel-A., wenn dies im einsamen Zimmer mit Brod u. Wasser, statt anderer Lebensmittel, Statt findet; strenger A. (Cachot), wenn sie, außer diesen Entbehrungen in einem finsteren Kerker verwahrt werden, dessen Fußboden wohl auch mit dreieckigen Latten (Latten-A., Lattenkammer, welche 1832 jedoch in der preußischen Armee abgeschafft sind u. welche dort durch Entziehung von Fleisch u. Gemüse u. des Tageslichts ersetzt werden) belegt ist, auf den der Gefangene nicht ohne Schmerz stehen, sitzen u. liegen kann. In diesem Latten-A. brachten die Gefangenen nach preußischem Gesetz 3 Tage zu, den 1. erhielten sie warmes Essen u. mittleren A.; über 6 Wochen konnte mit strengem A. nicht gestraft werden. Eine Mittelgattung ist öfter der Arbeits-A., wo mit dem A. irgend eine schwere od. unangenehme Arbeit verbunden wird. In einigen Armeen fand früher ein Ketten-A. statt, wo der Arrestant an eine Säule, Wand u. dgl., auch wohl krumm, angeschlossen wurde; jetzt nicht mehr üblich.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 758-759.
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