Sethianer

[909] Sethianer, eine orphitisch-gnostische Secte des 2. Jahrh., deren mit den Naassenern u. Peraten am meisten verwandtes System nach dem Ketzerbuche des Hippolytos (s.d. 3) folgendes war: es sind drei Grundprincipien, Licht, Finsterniß (Wasser) u. zwischen beiden der unvermischte, seine, leicht bewegliche, wohlduftende Geist (Pneuma); in jedem derselben ist die Möglichkeit einer unendlichen Menge von Kräften, u. durch den Zusammenstoß u. die Mischung derselben treten die Dinge ins Dasein. Zuerst die Welt (Himmel u. Erde), gleichsam ein Abdruck (Typus) jener drei; dann die Einzeldinge, welche wieder Typen des Grundtypus sind, gedacht als ein Mutterschoß (Metra). Zunächst erhebt sich als Protogenes aus der Finsterniß od. dem Wasser ein Sturmwind, welcher die Gewässer erregte, er ist die männliche Schlange (Ophis), der Unten-Vater, welcher mit seinen Windungen die Wasser peitscht u. das weibliche Wesen (Physis) befruchtet, worauf nun alle Erzeugnisse geboren werden. In ihnen ist aber auch Licht u. Geist von oben, im Menschen ist es namentlich der Verstand (Nus), das vollkommen Göttliche im Menschen. Um den Nus aus der Herrschaft des Unten-Vaters, aus dem vergänglichen Leibe zu befreien, mußte der Logos des Lichtes die zeugende Thätigkeit des Unten-Vaters nachahmen u. in der Gestalt desselben, der Schlange, in die Metra der unreinen Physis eingehen. So ging der Logos (Jesus) in den Leib der Jungfrau, reinigte sich aber von dieser unreinen Procedur (durch die Taufe) u. befreite zugleich den bisher gefangenen Nus des Menschen, indem derselbe ihn aus der Vermischung mit dem Physischen löste. Diese Trennung des Lichtelements von dem Element der Finsterniß im Menschen ist der Entzweck des Herabkommens des Logos vom Himmel auf die Erde, welcher allmälig zur Ausführung kommt, indem jeder Bestandtheil des Vermischten, Licht u. Finsterniß, nach seinem besonderen Orte, wie von einem Magnete, hingezogen wird. Nach Andern war es die gnostische Sophia, welche für die Rettung u. Reinigung des Menschen sorgte u. namentlich den Seth (daher ihr Name) als pneumatisches Element in das unreine Leben der ersten Menschen eintreten ließ. Gleichwohl konnte sie nicht hindern, daß bei der Rettung der pneumatischen Noachiten in der Sündfluth auch der böse Ham in die Arche mit eintrat u. dadurch jene wieder befleckt wurden. Aber sie weckte wiederholt die späteren Juden aus der Sünde, bis zuletzt Jesus, mit dem himmlischen Christus verbunden, als neuer Seth auf der Erde erschien u. die Erlösung des Nus des Menschen[909] aus der Finsterniß u. Unreinheit vollendete. Vgl. Ophiten.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 909-910.
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